»2020 – Sing Blue Silver«

»2020 – Sing
Blue Silver«
Tagebuch

17.10.

Da ich am Abend eingeladen war, hatte ich den ganzen Nachmittag über gebacken, aber danach wurde mir bald so schlecht, dass ich die Einladung absagen musste, um den Rest des Abends im Liegen verbringen zu können. Der Grund war, wie in jedem Jahr zu Beginn der Saison, dass ich die Tage bis zum Fest der Feste mit der Herstellung meiner beliebten Frankenkekse eingeläutet hatte. Dabei handelt es sich, wie nicht jedermann weiß, mitnichten um eine etwa fränkische Spezialität – das sind die in den Tagen bis zum Fest der Feste ohnehin allseits beliebten Lebkuchen ja selbst. Bei meinen Keksen bezieht sich der Zusatzbegriff »Franken« auf das Leichenpatchwork Frankenstein, die legendäre Frühform einer wandelnden Drohne, die Mary Shelley sich ausgedacht hat; auf die ebenfalls namensgebenden Kekse bezogen, bezeichnet der Gattungsbegriff meiner Kreationen analog zum vor einigen Jahren noch durch Martino Gamper popularisierten Wort Frankenfurniture ein Machwerk aus gekauften, also backtechnisch betrachtet: kalten oder zu einem anderen Zweck vorgefertigten Keksen und Süßigkeiten aller Art.

In dieser Tradition des Mad Konditor stehe ich nicht allein da auf dem Feld der vorweihnachtlichen Köstlichkeitenzubereitung. Im Grunde handelt es sich um einen dem Free Jazz in der Musik vergleichbaren, interpretatorischen Zugang zum Adventsklassiker Lebkuchenhäuslein — wenn auch ohne Lebkuchen (und ohne Haus).

Für eine Menge von einem knappen Kilogramm Frankenkekse, das entspricht meiner Erfahrung nach dem nachmittäglichen Bedarf einer erwachsenen Person, rühre ich zunächst als wesentlichen Bestandteil eine gewisse Menge essbaren Keksklebstoff an. Hierzu je nach Größe der Zitrusfrüchte ein bis zwei Zitronen auspressen und in den Saft so lange Puderzucker einrühren, bis eine steife, glänzende, schwer vom Löffel reißende Masse entstanden ist. Der Säure des Saftes im Kleber wird benötigt, um die vorwiegend stumpfe und durch die Zugabe der sogenannten weihnachtlichen Gewürze vor allem in die Breite und Tiefe schmeckende Würze der Süßigkeiten nach hinten hinaus anzuspitzen und über den Gaumen zu verlängern. Die Frankenkekse schmecken somit beinahe schon erfrischend; jedenfalls wirkt sich ihr Genuss im Übermaß, der unvermeidlich nicht nur scheint, nicht derart ermüdend auf die Geschmacksnerven und deren Rezeptoren aus. Das Gehirn quittiert den Empfang säuerlicher Informationen mit der Dankesbotschaft: »Da geht noch was«.

Zur Fertigstellung der Frankenkekse werden die Trägerplatinen, ich verwende den Inhalt einer Packung Gewürzspekulatius der Handelsmarke von Penny, Douceur, à 600 Gramm, wie eine Partie Patience oder Tarot auf der Arbeitsfläche ausgelegt. Reliefseite nach unten, lautet meine Devise (Merkregel: aufs Gesicht!) ebenfalls auspacken und in sortenspezifische Schüsseln und Schalen füllen: die diversen Süßigkeiten, mit denen die Platinen bestückt werden sollen. Hierzu gibt es wie im Free Jazz üblich: keine Regeln. Erlaubt ist, was schmeckt und der intensive Basisgeschmack der knusprigen Spekulatiae läßt jegliche Kombinationen zu: Gummibärchen, Lebkuchen, vor allem halt Dominosteine, aber auch Miniflorentiner, Snacksize-Schockoriegel, Smarties, aber sogar Dominosteine oder Schokoladenkränze (von mir auch als Crunchy Ecstasy bezeichnet) sind geeignet, um die Köstlichkeit der Frankenkekse ins schier Unermessliche zu steigern.

Von daher geht es dann auch ziemlich schnell: Die Module werden an ihren gedachten Unterseiten mit dem Kleber bestrichen und mit sachtem Druck auf den Platinen angebracht. Hier darf man seiner sogenannten Kreativität freien Lauf lassen. Wer davon keine in sich spürt, dem sei die Lektüre von Wolfgang Ullrichs Der kreative Mensch anempfohlen, d e m Primer zum Thema; allerdings nicht unbedingt für die Last-Minute-Lektüre geeignet. Dafür aber für die »Mußestunden« im Liegen, danach. Für Novizen noch mein Tip: Durch die Begriffe Platine und Modul habe ich die von mir bevorzugte Richtung hinsichtlich der Anordnung bereits vorgegeben. Bunt sollte es sein, von den Beklebungspattern her robotisch, beispielsweise macht sich sowohl vom Mundgefühl her als auch visuell ein mit Fruchtgummi, Schokoladenkranz u n d einem Dominostein beklebter Spekulatius ganz außerordentlich gut auf jedem noch so bescheidenen Teller, dessen Herumstehen in der Wohnung das Einläuten des Festes der Feste signalisieren soll.

Das Geile an den Frankenkeksen wiederum ist: keine Abkühlzeit. Sie sind im Handumdrehen ready to crunch. Der Zuckergußkleber trocknet in einer knappen Stunde an, dann kann die Frankensteinernte eingestrichen und serviert werden. Im Idealfall sind die Gäste aber erkrankt oder sagen aus anderen Gründen ab. Wem beides nicht beschieden wurde, dem bleibt als letzte Option noch immer, eine weitere Edition aufzulegen.

16.10.

Auch heute Morgen schaute ich, wie gestern Abend vor dem Zubettgehen, mit einem angenehmen Gefühl des Befremdens in den Spiegel. Mein Spiegelbild, ansonsten für mich kaum der Rede wert, gehört nun seit gestern in die Galerie der anderen Bilder hier an meinen Wänden; ich erkenne mich noch wieder, zögernd, aber immerhin. Älter sehe ich nicht aus, jünger auch nicht. Die Veränderung in meinem Gesicht lässt sich allenfalls mit dem Effekt plastischer Chirurgie beschreiben, deren Patienten ja hinterher auch nicht wirklich jünger aussehen, oder besser. Sondern halt anders.

Gerade weil es gestern frühmorgens schon derart so unerfreulich wie ausdauernd zu regnen angefangen hatte, fuhr ich nach dem dritten Kaffee zu meinem Friseur, denn bei extrem schlechtem Vormittagswetter lässt sich mit einem Samstagmittag nicht viel anderes veranstalten, als einen Schönheitstag einzulegen. Im Vorübergehen nahm ich auf der Hauptstraße sozusagen mit Wohlwollen zur Kenntnis, dass die Gedenktafel am David-Bowie-Haus mittlerweile ersetzt worden war und mehr noch: Sie war jetzt zusätzlich noch mit einem Rahmen aus gebürstetem Edelstahl bewehrt (ein Äquivalent für »ringsum« existiert in der deutschen Sprache nicht für einen eckigen Gegenstand), sodass es den Andenkenjägern dieses Mal deutlich schwerer fallen dürfte, das Porzellan zu zerschlagen, um es scherbenweise abzutransportieren. (Ich habe meine zwei i-Punkte für einen dem sentimentalen Wert extrem angemessenen Preis an Steve verkauft, den Burgerbrater im kleinen Café gegenüber, auf dessen einem Unterarm Elvis eintätowiert ist, auf dem anderen Bowie. Steve war sichtlich gerührt bei der Übergabe der minuskulen Scherbe. Ich hatte diese nämlich zum Zweck des Verkaufes in eine edle Schatulle aus schwarzem Polyvinylchlorid mit klarsichtigem, leicht gewölbtem Deckel gebettet, der auf den darunterliegenden Inhalt eine sachte, dafür entscheidende Vergrößerungswirkung hatte.) Es ist also nicht nur in diesem Zusammenhang unangemessen, wenn ausgerechnet Frankfurter Kreise Berlin als einen failed Stadtstaat ins Gerede zu bringen suchen. Sehr vieles funktioniert hier nämlich einwandfrei.

In meinem Salon herrschte der für einen Samstag übliche Stoßbetrieb, was in diesem Fall bedeutete, dass beide Stühle der Brüder bereits mit Kunden besetzt waren, die frisiert wurden. Auf den zu einer Bank an der Wand entlang bis zum Kühlschrank hin aufgereihten Stühlen saßen noch weitere Männer in die Lektüre ihrer Zeitschriften vertieft. Teegläser waren bereits verteilt worden. Ich hatte mich soeben meiner feuchten Jacke entledigt, da stand ein mir fremder Mann mit grauem Bart und rasierter Glatze vor mir und wies einladend, dabei einen Umhang wie das Handtuch eines Oberkellners im Cartoon über seinen die einladende Geste ausführenden Unterarm gehängt, auf den ominösen dritten Stuhl. Dieser hatte, so zumindest nahm ich es aus Erfahrung an, stets leerzubleiben. Jedenfalls hatte ich noch nie jemanden auf diesem zwar montierten, doch nie genutzten dritten Friseurstuhl sitzen gesehen. Und mir nichts weiters dabei gedacht. Wäre ich eine Frau und käme in das Behandlungszimmer meines Gynäkologen und der hätte dort, warum auch immer, einen zweiten Behandlungsstuhl aufgestellt, dann würde ich mir angesichts dieser Konstellation vermutlich weitreichende Gedanken gemacht haben wollen (selbst wenn dieser zweite Behandlungsstuhl dann für die Dauer meiner Behandlung leer bliebe; selbst dann vor allem, wenn mein Gynäkologe auf meine Frage, was das denn mit dem zweiten Stuhl solle, mit einer wegwerfenden oder beschwichtigenden Geste entgegnen würde; vor allem dann!). Bei einem stets unbesetzten dritten Stuhl in einem von zwei Friseuren betriebenen Salon kommen unbehagliche Gefühle dieser Art nicht auf. Auch hatte ich mir bis gestern noch keine Gedanken gemacht, was oder wer sich in dem durch einen Klimpervorhang abgeteilten Hinterzimmer des Salons befinden mochte. Das war nun klar, es war der Alte, der von dort aus auch mit einer Fernbedienung die Lautstärke des unablässig Hochzeitsmelodien abspielenden Fernsehapparates regulieren konnte, der an einem stählernen Teleskoparm hoch über Stuhl eins an die Salondecke montiert war. Augenblicklich waren dort die Melodien illustrierende Aufnahmen von Golfspielern am Golf zu sehen. Auf den Greens Saudi Arabiens, so schien es, wehte eine steife Brise: In einer fatal wirkenden Gefährdung der idealen Abschlagsbewegung, die ja eine Torsion des Oberkörpers bei gereckten Oberarmen erfordert, knatterten die Schleier der Spielenden im Wind.

Der Alte, bei dem es sich unzweifelhaft um den sogenannten Meister handeln musste – das teilte sich mir aus den halblauten Kommentaren der Brüder mit, die mich ja beide als ihren Stammkunden kannten –, drückte mir die Knöchel seiner geballten Fäuste links und rechts in die Vertiefungen meines Schlüsselbeins und gab dazu einen katzenhaft schnurrenden Laut von sich, den er dann noch einmal in einer gedehnten Version wiederholte, als er mir mit beidseitig flach angelegten Handkanten die Blutzufuhr durch meine Halsschlagadern abklemmte. Breath Play im Friseursalon – why notzky, wie es hier in Schöneberg ganz richtig heißt. Da er mir mittlerweile die Brille abgenommen hatte, nahm ich den Rest seiner Behandlung durch einen mein Vertrauen fördernden Schleier wahr. Den Bart kürzte er freehand, ohne einen Kamm zuhilfe zu nehmen. Das allein wies ihn als einen alten Hasen der gestählten Sorte aus. Währenddessen, ich hielt die Augenlider fest geschlossen, aber mein Gesichtsgefühl sagte mir das ungefähr so genau, wie es tausend Blicke getan, verteilte er mit einer dritten (???) Hand bereits heißes Wachs auf meinen freirasierten Wangen und, das empfnd ich als alarmierend: über meiner Stirn. Mit harten Gegenständen – eventuell waren es Essstäbchen, möglicherweise auch Rouladennadeln oder Pfeile – drang er tief in meine Nasenlöcher, sowie beiderseits in meine Ohren ein. Dann, er war mit dem Rest seiner Tentakel gerade in meinem Nacken zugange, wo er, obwohl ich ihn ausschließlich um die Bartpflege gebeten hatte, mit relaishaft klickendem Schnippschnapp die Saumkante meines lang gewachsenen Haars begradigte, oder gar ausdünnte, gab er in gebrochenem Englisch, der einzigen Sprache, die ihm außer dem Arabischen zur Verfügung stand, ein Kommando zum Spiegelblick. Dazu reichte er mir meine liebe Brille. Und was ich sah, war ein Gesicht mit Brille und Bart, in dessen sämtliche Öffnungen der Alte Ohrenstäbchen gesteckt hatte wie in eine Voodoopuppe. Zögerlich öffnete ich meine Lippen. Mein gebrochenes Englisch ist nicht besonders gut, also zeigte ich ihm den international gültigen Code für thumbs up.

Während der von ihm allein in Vorfreude verbrachten Momente, in denen das solchermaßen in meine Ohren und Nasenlöcher praktizierte Heißwachs aushärten musste, neigte er sich mit seinem freundlich wirkenden Gesicht nah an meines und spähte in mein nun wieder von der schützenden Brille entkleidetes Auge. Er spähte dort hinein, als sei mein Auge ein Türspion, und fragte: »Where you come from?«. Ich sagte »Heimerdingen«. Er zwitschte durch die Zähne und lachte. Die Brüder nickten und es gab einen kurzen Trialog auf Arabisch. Währenddessen schnippte der Alte mit diversen Fingerspitzen gegen die in meinen Gesichtsöffnungen steckenden Ohrenstäbchen. Ich kannte diese Methode aus dem kambodschanischen Foltermuseum S21 in Phnom Penh, allerdings hatte man den Patienten dort und damals Stecknadeln unter die Fingernägel getrieben. Durch ein Schnippen gegen die dort festsitzenden Nadelköpfe wurden die Geständnisse erpresst.

Gut, also so weh tut es nicht. Aber es ist unangenehm. Vor allem, weil der Alte danach noch die gesamte nicht vom Bart bedeckte Fläche mit seinem Zwirbelfaden von etwaigen Feinsthaaren befreit. Mir war nun plötzlich klar, weshalb die Vollbärte in der arabischen Sphäre beinahe das gesamte Gesicht bedecken sollten. Als er mir meine Brille final überreichte, sah ich im Spiegel auf eine Tomate mit Zähnen. Das war mein Gesicht. Zum Abschied hämmerte mir der Meister, der mich von nun an als Stammkunden akzeptiert hatte, noch einen seiner goldenen Merksprüche ein: Bart alle sieben Tage – good. Nackenhaare alle 21 – good. Den nach wie vor gelangweilt vor sich hin strömende Regen empfand ich als angenehm kühlend auf meinem Gesicht.

15.10.

Heute vor 40 Jahren schrieb Peter Handke in sein Tagebuch: »Jemand, der mitten im Beischlaf aufhören und ehrlicherweise sagen würde: ›Ich weiß nicht mehr weiter‹«. Ich bin darauf gekommen, also parallel zu den vergehenden Tagen, an jedem Morgen den wie auf einer Umlaufbahn um 2016 korrespondierenden Eintrag im Gewicht der Welt zu lesen, durch eine Bemerkung von Jan. Das war an dem Tag nach der Nobelpreisverleihung an Bob Dylan. Wir hatten anlässlich jener Collage von Clemens J. Setz auf Twitter, für die er die Porträtfotos von Handke und Dylan zu einem Gesicht harmonisch zusammengefügt, so ein bisschen, wirklich nicht allzu sehr überlegt, ob oder wenn doch, welchen Liedtext von Bob Dylan wir denn a) kannten, beziehungsweise im Gedächtnis behalten hatten. Zu einem Punkt b) kam es im weiteren Verlauf der wie gesagt bündigen Diskussion erst gar nicht, weil die von Jan angeführte Zeile aus Mr. Tambourine Man aufgrund des Liedtitels zu einem 90-Grad-Shift im molekularen Gefüge des Gedankenaustauschs führte. Denn nun war mir wieder klar, weshalb ich den frühen Handke, den ganzen Dylan so uninteressant und fremdartig fand: Es war dieses Zirkushafte, das Schwärmen von den Gauklern, den Jongleuren, der Dame mit dem Schlangenleib und den noblen Landstreichern, das mich anwiderte. Jan erklärte das mit den Fünfzigerjahren, mit La Strada, und sah sich selbst auch nicht ganz frei davon.

Na gut, das ist halt, so hätte ich es beschließen können, nicht ganz so meine Szene, nicht meine Generation. Ich habe zum ersten Mal Bob Dylan gehört, in den Neuzigerjahren, als Jochen Distelmeyer noch die Konzerte mit seiner Interpretation von It’s Allright Ma’ (I’m only bleeding) zu beschließen pflegte. In dieser Zeit stand besagtes Album von Dylan, das den Krauskopf selbst und eine Frau in Rot vor dem Kamin im Hintergrund zeigte, ganz vorne in den Plattenstapeln vieler Leute, die ich ab und an besuchte. Später, als Distelmeyer seinen Mash-up aus Rainer Werner Fassbinder und Hannes Wader und Heinz Rudolf Kunze zu verkörpern suchte, hatte ich Bob Dylan schon wieder vergessen. Und zwar rasch und schmerzlos. (Den Remix, den Nicolas Jaar von Love Sick gemacht hat, finde ich noch immer gut.)

Trotzdem aber: Wenn das schon, wenn die La-Stradahaftigkeit und die Kette aus bunten Glühbirnen über allem und die Kritik an der blinden und stumpfen Maschinenhaftigkeit des Geschlechtsverkehrs nicht meine Szene war, allein weil ich etwas jünger, was dann? Ich dachte nach und nach und kam auf kein konkurrierendes Konzept. Wie es aussah, hing meine Szene ohne Chance auf Nobelpreis und ohne Establishment in der sogenannten Luft. Viele waren schon tot, die übrigen sind entweder vergessen, verblasst oder wie Dave Gahan und Robert Smith und Morrissey und Paul Weller und New Order in einer Art Programm für die Rente mit 3000 eingespannt. In derlei Gedanken ging ich auf Rogers Geburtstag, wo ich dann halt auch etwas deplaziert in der Gegend herumstand, was mir aber nichts ausmachte, weil Rogers Wohnung eine schöne, eine der schönsten Gegenden in Berlin ist: Lauter Räume beinahe ohne Möbel, in denen es weihnachtlich roch, weil es Wildschwein gab, das eine feine Orangennote hatte. Ich aß viele Austern und führte drei kurze Gespräche zum Thema, ob es das überhaupt geben kann: zu viele Austern. Dann ging es noch um meinen Milchkonsum. Satt, aber guten Gewissens nach Hause.

14.10.

Beim Austausch der Löwenzahnblätter, bei denen die Schnecken übrigens weit weniger heftig zuschlagen, als es in den österreichischen Foren versprochen worden war (meine stehen besonders auf Karotten und Gurke, aber auch quer durch eine Scheibe Bottarga haben sie sich gefräst), fand ich das bis dahin männliche Tier von seinem Kalkzapfen befreit. Ob es den nun aufgegessen hatte, oder in seinen Leib zurückgezogen, ob er einfach abgefallen war und nun schwer auszumachen auf der ebenfalls weißen Kuchenplatte, die den Boden des Schleimariums abgibt, herumlag, ließ sich während der kurzen Zeit, da ich die Salatschüsselkuppel abgehoben hatte, nicht eruieren. Allzu lange kann ich das Mikrotop leider nicht unbedeckelt stehen lassen, denn die Schnecken bewegen sich, insbesondere unter einer schwallweisen Zufuhr von Frischluft: verblüffend schnell.

Nun, da die Zeit der Regeneration nach dem unterbrochenen Geschlechtsakt anscheinend vorüber war, sah ich sie tagsüber gemeinsam über die gläsernen Wände ihres Gehäuses ziehen wie Flugzeuge oder Wolken in der Kuppel eines frühgeschichtlichen Himmelmodells. Und ohne den aus der einen herausragenden Zapfen sehen sie einander ähnlich wie, nun ja: eine Schnecke der anderen. Hinsichtlich meiner Forschung wäre es extrem wichtig gewesen, das ehemalige Männchen zu markieren, um bei einem erneuten Paarungsversuch ablesen zu können, ob es denn bei diesen zwei Exemplaren immer wieder dasselbe Tier sein würde, das den gebenden Part übernimmt. Oder ob Schnecken tatsächlich genderfluid sind und somit mal die eine, nächstes Mal die andere nimmt, dann wieder gibt.

Dazu hätte ich einfach nur das fragliche Häuschen mit meinem Lackstift markieren müssen (etwa mit einem Punkt in Leuchtrosa), aber was das Anmalen von Schalentieren betrifft, wurde mir vor vielen Jahren eine schreckliche Geschichte erzählt, die ich seitdem nicht vergessen kann, und die mich insbesondere von dem Lackieren von Schildkrötenpanzern for fun auch weiterhin abhalten wird. Die Frau, die mir diese Geschichte erzählt hatte, ihr alkoholkranker Vater spielte darin die tragende Rolle des Schildkrötenlackierers, hatte ich in Hamburg kennengelernt. Sie enstammte einer Dynastie von Werbetextern und verwendete ein Gesichtspuder von Christian Dior, das sie aufgrund dessen Beschaffenheit den Kometenstaub nannte. Die, wenn auch extrem kurze, durch und durch merkwürdige Beziehung, die sich zwischen uns entwickelt hatte, scheiterte letzten Endes nach wenigen gemeinsam verbrachten Stunden daran, dass sie für meinen Geschmack zu sehr damit beschäftigt war, ein Doppelgängerleben zu führen. Und zwar als Doppelgängerin Holly Golightlys. Ich weiß nicht, woran das liegt, es ist mir in meinem Leben dann viel später noch einmal begegnet dieses Phänomen, allerdings war das dann in München, aber auch dort fragte ich mich, ob es die Holly Golightly aus dem Film ist, die Moon River singt, also ob es eigentlich Audrey Hepburn war, der solche Frauen ähnlich sehen und sein wollten, oder ob sie auch das Buch gelesen – die Holly Golightly bei Truman Capote hat ja so gar nichts lieblich neurotisches, sondern ist einfach nur abgefuckt. Aus heutiger Sicht würde ich sagen, die in Hamburg hatte sich die Holly Golightly aus dem Film vorgenommen, die aus München las auch ansonsten viel und gern.

Schnecken sind kaum geräuschempfindlich. Nach dem Essen ziehen sie sich in ihre Häuser zurück und – tja, was eigentlich? – schlafen vermutlich. Was sonst. Es muss ja dann reichlich gemütlich, wenn nicht eng zugehen in dem kleinen Haus, wenn sich die Gesamtschnecke dorthin zurückzieht. Also in sich. Denn auch wenn man stets geneigt bleibt, das Haus aufgrund seiner Andersartigkeit, seiner Unschleimigkeit und seiner Beschaffenheit aus hartem Material, wohingegen der Schneckenkörper weich ist wie ein elastisches Cornichon, als etwas von der Schnecke Getrenntes zu betrachten, so darf es auch hinsichtlich Schnecken keine dualistische Sichtweise mehr geben. Das Haus gehört zur Schnecke, die Schnecke ist auch das Haus sozusagen, so wie die Milchkuh auch ihr Horn ist und umgekehrt. Wenn die Schnecken also in sich zurückgezogen liegen, spiele ich ihnen manchmal das einzige Lied vor, das ich besitze, in dem es um das Dasein als Schnecke geht – jedenfalls wird es darin periphär mitbeschrieben. Es befindet sich auf dem Roten Album von Tocotronic und heißt Prolog. Schallwellen treiben die Schnecken irgendwann aus den Gehäusen. Sie entrollen sich in dieser unaufhörlichen, eleganten Bewegung, sozusagen in einem Zug (also wie ein rückwärts abgespieltes auf Ex), und dann fahren sie jeweils nur eines ihrer beiden Stielaugen aus, um die Umgebung zu scannen. Ob sie Farben wahrnehmen können, was für sie überhaupt von Interesse ist: alles noch unbekannt.

13.10.

Die Schneckenhaltung bringt unvorhergesehene Probleme mit sich. Möglicherweise liegt es an der abgeschlossen wirkenden Gestalt der Schnecke, die ihr Haus und somit vermeintlich ihre ganze Welt mit sich bringt, dass ich annahm, es bräuchte darüberhinaus lediglich das Schleimarium und etwas Futter, um sie zufriedenstellen zu können. Doch gegen Mittag zeigte sich die Situation unter der gläsernen Kuppel verändert: Beide Tiere hatten sich unter jeweils andere Salatblätter zurückgezogen und dort wiederum, im Schatten von Löwenzahn und Sauerampfer, wie Träume innerhalb von Träumen, noch einmal zusätzlich in ihre Häuser zurück. Die Moose hatte ich bereits befeuchtet (Methode Briefmarkenkissen), die Innenseite der Kuppel von den Schleimspuren gereinigt — was fehlte ihnen denn noch?

Im Internet fand ich eine Seite aus Österreich, die sich monothematisch mit der Haltung von Schnirkelschnecken, vor allem aber mit der Haltung der exotischen Achatschnecke beschäftigte. Als sämtlichen Arten übergeordnet erschien dort als generelles Problem das der schläfrigen Schnecke. Das nahm ich mit einer Mischung aus Erleichterung und Interesse zur Kenntnis, denn genau dieses Problem schien ja auch bei meinen Schnecken vorzuliegen: Schläfrigkeit. Und das ohne einen für mich ersichtlichen Grund. Wo sie am Vorabend und in der darauffolgenden Nacht noch für Schneckenverhältnisse hyperaktiv sich präsentiert hatten (um sich bei mir einzuschleimen?), ging nun sozusagen gar nichts mehr. Auf geradezu unheimliche Weise abgeschlafft – in einem Werner-Enke-Sinne – schmollten sie mir. Was eventuell, so hatte ich es mir vor dem Studium der Internetseite noch überlegt, an dem von mir unterbrochenen Geschlechtsakt lag. Vielleicht zeigten sich, wie es das Sprichwort behauptete, sämtliche Tiere bis auf den Esel und den Hahn nach dem Geschlechtsverkehr wehmütig. Die Schnecken aber, und davon schwiegen die Römer, waren als einzige im Tierreich zur Erwartung und Hoffnung begabt und daran lag es, dass sie mir nun schmollten — weil es ihnen auf menschenhafte Weise bewusst war, woran ich sie gehindert hatte. (Und der Geschlechtsakt an sich war auf rein technischer Ebene derart schwierig zustande zu bringen mit diesem Kalksporn et cetera, dass sie nun einen sogar für Schneckenverhältnisse ewig langen Anlauf würden nehmen müssten, um einen erneuten Koitus zu organisieren; die schiere Aussicht auf diese Vorbereitungen zum Fest ließ die beiden derartig abschlaffen, dass es nicht auf ein Neues zur Sache gehen konnte.)

Zu weit gedacht, zu kompliziert auch, denn wie aus den Foren zur Schneckenhaltung ganz eindeutig hervorging, hat das dort bekannte Phänomen der schläfrigen Schnecke ihren Ursprung in der Atmung der Tiere. Wie viele Organismen produziert halt auch die Schnecke reichlich Kohlendioxid, das sich am Boden des Schleimariums ansammelt. Die dort sitzenden Schnecken schläfern sich somit allmählich selbst ein. Ich konnte dieses Problem rasch beheben, indem ich zwei Geldstücke unter die Kuppel klemmte, sodass diese ein wenig angehoben wurde. Die durch den schmalen Schlitz zusätzlich einströmende Raumluft genügte anscheinend voll und ganz, um den benötigten Sauerstoff zuzuführen. Bereits nach wenigen Stunden zeigte sich das Weibchen wieder aktiv und sozusagen in alter Frische. Und noch ein wertvoller Hinweis aus dem Schneckenhalterforum setzte ich stante pede um: Schnecken brauchen nämlich Kalk! Bei Kalkmangel – und zumindest mein Männchen müsste allein durch die Hervorbringung des prächtigen Penetrationszapfens bereits am Limit sein – fressen Schnecken nämlich ihr eigenes Haus — eine Horrorvorstellung! Das durfte auf gar keinen Fall passieren. Unter erfahrenen Schneckenhaltern geht der Trend eindeutig zum Einbringen eines Schulpes vom Tintenfisch, wie man es aus den Käfigen von Wellensittich, Kanari und Co kennt. Aber die Schalen vom Viereinhalbminuten-Ei werden ebenso akzeptiert. Faszinierend. Woher die Schnecke wohl weiß, dass es sich bei dem abstrakten hellen Gebilde um eine Kalkquelle handelt — besitzt sie, analog zu den Kryptochromen der Zugvögelarten, einen Mineraliensinn? Das Forum schweigt dazu.

12.10.

Erwachend fand ich meine innere Landschaft verändert. Über allen Gipfeln und selbst weiter drunten im Tal schien es windstill geworden. In mir herrschte nicht einmal mehr, das war wohl unnötig geworden, es war einfach die Ruhe selbst, die seiend sich verbreitet hatte. Und von ihren Dimensionen her nahm ich sie als galaktisch wahr.

Dass ich verschlafen hatte, es war bereits weit nach acht Uhr, kümmerte mich nicht. Ich schaute länger aus dem Fenster, dort war es diesig hinter den beschlagenen Scheiben. Vom Vorbeiflug des Merkur am Saturn (oder war es umgekehrt gewesen) hätte ich sowieso nichts hätte sehen können, mit oder ohne Fernrohr. In meinem E-Mail-Eingang sah ich eine Nachricht von Bob Mankoff, dem Ressortleiter für gezeichnete Witze beim New Yorker. Und freilich war meine Verehrung für ihn und seine Arbeit schon groß, so riesengroß, dass ich einen Moment lang tatsächlich annahm, es wäre Bob Mankoff selbst gewesen, der sich aus einem ganz auf mich bezogenen Grund an mich gewandt hatte. Aber natürlich war dem nicht so, wir kannten uns gar nicht persönlich. Es war lediglich so, dass ich als langjähriger und regelmäßiger Einsender beim monatlichen caption contest nach zwölf Jahren als überseeisches Jurymitglied Schöffendienste leisten sollte. Leider halt bloß online. Machte ich aber trotzdem gerne, bis dann bei der Bewertung des zwanzigsten Panels die Seite abstürzte. Na ja. Machte mir, so wie ich drauf war, nichts. In anderer Verfassung hätte ich wahrscheinlich mit dem iPad einen Nagel in die Tischplatte getrieben. Temps passé. Trotz blödem Nieselregen packte ich gleich nach dem dritten Kaffee meine Sachen und brach in Richtung der Kleingartenkolonie am Nymphenufer auf.

Dort gibt es unter dem Bahndamm eine alte Mauer, deren interessantester Abschnitt von Brombeerranken gut geschützt ist, sodass diese Stelle außer mir wahrscheinlich niemand anders kennt und besucht. Die vielen unterschiedlichen Arten von Moos, die auf dem Sims der Mauer sprießen und gedeihen, sind insbesondere an feuchten Tagen jeden Ausflug wert. Ich pflückte mir einige kleine Kleckse davon in die Hand, um sie daheim unter der Makrolinse meines Fernrohres studieren zu können. Denn das Sprichwort stimmt ja, zumindest auf die Einsatzmöglichkeiten meines Fernrohrs bezogen: Warum zu den Sternen schweifen, wenn es so hübsche wie unbekannte Mikrowelten wie Moose gibt? Und dabei, also auf dem schwarzen Sims der Mauer, entdeckte ich zwei Schnirkelschnecken mit blaßrosa Häusern beim Geschlechtsverkehr! Das hatte ich, in all den Jahren der Schneckenforschung, die ich ja noch weit länger schon betrieb, als ich am caption contest teilnahm, noch kein einziges Mal live und mit eigenen Augen gesehen. Der einen Schnecke, die dadurch als männlich sich konstituierte, ragte der gut einen Zentimeter lange Kalkspieß aus der Seite. Papierweiß. Die andere schmiegte sich schon mit dem Leib heran.

Das gute an Schnecken ist, dass ihr Protestgeschrei unhörbar bleibt für menschliche Ohren. Auch tun die Bisse mit der Radula nicht weh. Fickende Hunde, ja, sogar Katzen oder Blässhühner würde ich mich nicht zu unterbrechen trauen. Aber Schnecken halt schon. Und jetzt halte ich die beiden bei mir zu Hause. Ich habe ihnen ein sehr hübsches und vor allem mega-artgerechtes Schleimarium gebaut aus einer weißen Kuchenplatte und einer darüber gestürzten Salatschüssel aus Glas. Der Boden ist bedeckt mit Salatblättern aus eigener Ernte – also voll regio – die ich noch vom Wochenende im Kühlschrank hatte. Dazu das Moos natürlich und für die Farblust des beobachtenden Auges: eine Scheibe Karotte. Ich fragte mich natürlich vor allem, wie das Schneckenmännchen mit dem Interruptus zurechtkommen würde. Menschliche Männchen klagen da ja recht oft und auch vor einem Hintergrund jahrtausender Jahre Kollektiverfahrung als unterbrochener Mann. Nicht so die Schnecke anscheinend, die ja von ihrer Wesensart eher als genderfluid zu bezeichnen ist: Das Weibchen begann sofort damit, die gläserne Kuppel der Behausung zu erkunden, fahrenderweise, während das Männchen samt ausgefahrenem Penetrationszapfen sich unter ein Salatblatt zurückzog. Vermutlich, um sich zu regenerieren. Mal sehen. Als erste Erkenntnis nach dem ersten Tag der Beobachtung verzeichne ich, dass Schnecken, also meine Exemplare zumindest, ultra tagaktiv sind. Das geht soweit, dass das Weibchen sofort unter dem Salatblatt hervorstößt und losfährt, wenn ich mitten in der Nacht im Badezimmer mal kurz das Licht andrehe. Ich werde die Salatschüsselkuppel eventuell mit einem Tuch abdecken müssen wie einen Kanarienvogelkäfig. Wenn Schnecken nun noch singen könnten oder leis‘ blubbern zumindest Punktpunktpunkt

11.10.

Kryptische Nachricht von Jochim Lottmann (für meine um Erläuterung bittende Nachfrage war er freilich nicht zu erreichen gewesen) auf einer bereits mehrfach genutzten Servicepostkarte der Wiener Elektrizitätswerke, die ich am Nachmittag in meinem Briefkasten gefunden hatte: Ich sollte mich pünktlich um 19 Uhr 30 im Deutschen Theater einfinden. »Bring bitte eine Prinz Heinrich-Mütze mit, und trage diese beim Betreten des Gebäudes gut sichtbar. Beispielsweise auf Deinem Kopf.«

Es regnete bereits, als ich, wie mir geheißen ward, das Foyer betrat. Für die Hostessen der Frankfurter Allgemeinen musste es so ausgesehen haben, als ob mein Gesicht von Tränen überströmt war, dabei waren das die Regentropfen, die vom Rand des Mützenschirms mir in die Stirn geweht worden waren. Mit kurzem Blick auf diese Mütze wurde ich offenbar als einer der geladenen Gäste für die intime Feier zur Verleihung des Michael-Althen-Preises für Kritik identifiziert. Jedenfalls sah ich, wie eine meinen Namen von ihrer Liste strich. Damit war ich sozusagen drin und wurde eingelassen.

Im ersten Stockwerk, an der kleinen Bar des mit Raunen gefüllten Festsaales, regierte Joachim Lottmann im Kreise seiner Anhänger. Ich hegte gemischte Gefühle, denn mir war ja inzwischen klar, dass ich mich vor einigen Wochen selbst für diesen mit 5000 Euro dotierten Preis beworben hatte. Verliehen wurde er dann aber an eine mir unbekannte Kunsthistorikerin aus dem Stall der Süddeutschen. Nun war mir mein Erscheinen als Ausgeschiedener irgendwie peinlich. Aber es sprach mich niemand darauf an.

Der ehemalige Chefredakteur der Süddeutschen, Hans-Werner Kilz, hielt eine Rede, mit der er die schöne Zeit vor der Jahrtausendwende ins Gedächtnis rief, als Michael Althen noch nicht gestorben war und Claudius Seidl, Georg Diez und Niklas Maak in dem damals noch nicht geräumten Redaktionsgebäude an der Sendlinger Strasse ihre Feuilletons schrieben. Niklas Maak und Claudius Seidl waren anwesend. Die Witwe Michael Althens auch. Georg Diez nicht. Thomas Hüetlin, wie ich als Preisgewinner ausgeschieden, war nicht erschienen. Der wusste halt, was sich gehört, war noch vom alten Schlag.

Ich hatte selbst noch gute Erinnerung an diese Zeit in Münchens Sendlinger Strasse, die ja im Nachhinein betrachtet eine Ära war. In der Rede ging es, wie immer, wenn von dieser Ära die Rede war, auch um die Anzüge von Helmut Lang, und niemand hat den Esprit dieser Tage schöner und auch kunstvoller in Szene gesetzt als Christopher Roth, der Autor von 200D, dem ersten Roman der Popliteratur immerhin, in seinem Kurzfilm Hawaii 69, in dem Ulf Poschardt, damals noch mit einem an René Weller geschulten Oberlippenbart, eine tragende Rolle spielt.

Herrliche Rede also, bei der Verlesung des Siegertextes durch die Siegerin selbst nickte ich leider mehrfach ein. Was ich nicht wollte, da ich fürchtete, mir könnte dieses mehrfache Einnicken und gedämpfte Aufschnarchen nach dem Sekundenschlaf von den Umsitzenden als eine dämliche Form meines von Neid motivierten Protestes ausgelegt werden. Ich konnte es aber trotz schärfster Selbstzucht nicht verhindern. Glücklicherweise erkannte mich aber niemand, was wohl an meiner abstrusen Mütze lag. Man verwechselte mich mit dem Sänger und Gitarristen Malakoff Kowalski, in dessen signature look ich durch Lottmann instruiert wider besseren Wissens erschienen war. Kowalski wiederum, der im Gegenstz zu mir geladen wurde, war nämlich nicht erschienen, was wiederum Lottmann im Gegensatz zu mir gewusst haben wird.

Im Anschluss an die Reden wurden Salami-Sticks serviert und Fruchtspieße. Joachim Lottmann übergab mir ein Manuskript eines seiner 35 noch unveröffentlichten Romane. Darin sollte es um seine Zeit als persönlicher Assistent eines Bundestagsabgeordneten in Bonn gehen. Ich war gespannt.

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