11.1.2019

Tag des Apfels. Welch‘ ein Tag—so würde ich gerne empfinden, mit diesem Gefühl ging ich gestern zu Bett, aber leider hat sich das Hochgefühl nicht in den nächsten Tag hinüberrettenlassen: Gestockt, regelrecht abgeschreckt fand ich mich heute früh im Angesicht des gestern noch angeblich Erreichten. Nichts davon gut genug, alles von vorn aber auch nicht, es steht an die quälende Arbeit am hier und am da, die doch leider, das lehrt die Erfahrung, kein Ende nimmt.

Woher überhaupt diese Lust auf ein Ende? Weil Arbeiten »grässlich ist«, wie Jan mir einst sagte? Nein, nicht für mich. Wenn es läuft, soll die Arbeit doch gerade kein Ende nehmen. So aber, in der Unsicherheit herumstochernd, besser ohne mich.

Ausflüchte: stimmt schon, ich hatte die Zeitungen vernachlässigt, und in der Zeit—übrigens eine schöne Entsprechung des Buches von Bulwer-Lytton, wenn jemand in den Zwiebelfisch kommt und dann sitzt dort jemand hinter einem monströs hohen Blätterwerk und liest nicht etwa nur über seine, »meine Zeit«, nein gleich die Zeit an sich und die Zeit aller an sich. Maxim Biller erzählte dort vom Finden eines Albumtitels für Malakoff Kowalski. Fühlte mich direkt eingeladen, die Zeit war von gestern, noch einen Vorschlag zu machen (per SMS), den Malakoff aber »Horrible« fand (mit drei Ausrufezeichen.)

Daheim dann im Wechsel das dritte Programm des Hessischen Fernsehens und das des Südwestfernsehprogramms. Wenn ich Heimweh habe, oder mich bloß wegträumen möchte aus dieser Welt, oszilliere ich zwischen den Dritten. Von der Tagesschau abgesehen (sic) wird es früher oder später sowieso dazu kommen, dass bloß noch für die Dritten bezahlt werden muß. Und das meiner Meinung nach auch zurecht, dort ist Fernsehen für mich. Im Vorabendprogramm werden Tierheimsdirektoren befragt, es werden saisonale Torten gebacken, man erfährt Weisheiten wie »alte Apfelsorten wie Berlepsch sind für Allergiker ungefährlich«, es geht also im Grunde so zu wie daheim, in der Herkunftsheimat: bißchen einschläfernd, auch langweilig, bißchen anstrengend manchmal, aber mir bereitet es an unfreundlichen Tagen das heimelige Gefühl. Für Gottfried Benn waren es Kriminalromane, mir sind die Dritten »Radiergummi fürs Gehirn.«

Auf ihrem Blog der Sezession schreibt Ellen Kositza, dass in Schnellroda seit kurzem die Tagesschau verfolgt wird. Sie nennt das »den Tiger reiten« und erwähnt natürlich auch das Unverständnis von Götz Kubitschek, der im Vorbeigehen auf dem Bildschirm die notorische Werbung für das Reizdarm-Mittel mitbekommt und daraufhin eine neuartige Kulturdeformation feststellen muß. Na ja. Wahrscheinlich schauen die sich dann heimlich die »beißende Mediensatire« über die Verlegerfamilie Labaule an, die »nach einer Idee von Harald Schmidt« in sechs Folgen produziert wurde. Und finden die gar net übel.

Ich ja leider schon. Um 20 Uhr 15 kommt eine neue Folge der Inselärztin im Ersten. Also nur verschwindend viel besser als die. Und in Württemberg breitet sich die Blauzungen-Krankheit aus.