11.3.2019

Am Sonntag nachmittags langer Spaziergang. Ich war wandmüde, wie es der Vater von Herrman Lenz wohl zu nennen pflegte. Ging durch eine mir noch unbekannten Teil der Stadt, in dem es so gut wie nichts zu sehen gab, außer dem Rohbau eines mehrstockigen Mietshauses der von den ihn bewerbenden Plakaten umstellt war. Das städtische Unternehmen verkündet darauf in roter Schrift »Berlin baut.« Von der Architektur her stellt es nicht mehr dar als umwandeten Wohnraum mit einem Deckel obendrauf. Wenige, auch recht kleinvormatige Fensteröffnungen zur mehrspurigen Straße hin. Ein Haus zum Selbstausdrucken, um sich darin selbst einzulagern. Schaut wahrscheinlich noch grausamer aus, wenn es erst fertiggestellt ist.

Abends dann in der Schaubühne, großer Andrang, damit hatte ich nicht gerechnet. Heinz Bude stellte sein neues Buch vor. Mehr als hundert Leute im Publikum. Es geht um die Zukunft der Solidarität. Bude trägt seine Thesen frei vor. Im Anschluß noch ein Gespräch mit Thomas Ostermeier. Die Leute hören konzentriert zu, ab und an gibt es Zwischenrufe. Bude sagt: Zur Solidarität gehört der Kampf. Beim Hinausgehen fällt Schnee, draußen vor den Scheiben. Dachte zuerst an einen inszenierten Effekt. Wohl noch unter dem Eindruck des Nebelmaschinengewitters vom Freitag.

Zur späten Stunde dann noch eingekehrt in diesem neu entdeckten Thai-Stüble, in dem es richtig gut schmeckt. Die zerhacken dort einen Fisch in flockenzarte Partikel, die dann zu knusprigen Wolken frittiert werden. Eine Texturspeise. Große Köstlichkeit. Die Kellnerinnen sind eineiige Zwillingsschwestern. Sie schminken, frisieren und kleiden sich auf identische Weise.

Morgen breche ich ins Schwäbische auf.