12.1.

Im vergangenen Jahr 2015 habe ich eine längere Erzählung angefangen von einem Mann, der nach ein paar Jahren in Afrika zurückkommt nach Berlin und der, um Geld zu verdienen, in einem kleinen Fachgeschäft für Kosmetik, dem Cremestübchen, tageweise als Verkäufer arbeitet. Die Handlung war dann so, dass er durch das Creme-Ausprobieren und beim Vorführen von Bürsten und Parfüms den Kundinnen fallweise näher kommt und die Kapitelnamen hießen dann jeweils so wie eine dieser Frauen, weil er im Verlauf der Handlung dann mit jeder von ihnen schläft.

Zwar nicht selbstverständlich, aber jedenfalls habe ich das Manuskript mit dem Arbeitstitel »Unter die Haut« dann nie vollendet, aber aus Recherchegründen habe ich ein paar Monate lang in einem Cremestübchen gegenüber des Wasserturmes als Verkäufer gearbeitet. Vor dem Laden stand ein Ginkobaum und im Herbst waren dessen Fruchtkugeln reif. Aber obwohl die wie die schöneren Mirabellen ausschauen, riechen sie im vollreifen Zustand halt nach Erbrochenem. Leider!

Davon abgesehen wurde mir aber in dieser Zeit einiges vom geheimen Fühlen der Männer zuteil; das war wirklich irre, weil ich mir bis dato gar nicht vorstellen konnte, wirklich wahr: dass die so sind. Wenn ich nämlich zu einem sogenannnten Geschlechtsgenossen beispielsweise sagte: »Schau mal, das ist eine schöne Augencreme für dich, weil du hast da schon diese Fältchen, die auf Geweberisse hindeuten«, oder »Hier, dieses Peeling für die Lider heißt Blue Orbital und du darfst das jeden Abend vor dem Schlafengehen auftragen – fühl doch mal, wie zart meine dadurch geworden sind«, waren die Reaktionen meiner Kunden noch harmlos mit abwehrend beschrieben. Da drückte sich für mich eine Irritation in deren Haltungen aus, als hätte ich soeben angeboten, ihnen eine eingecremte Salatgurke a tergo einzuführen oder noch Schlimmeres.

Bei einem Becher Früchtetee aus der Bregenzer Manufaktur von Susanne Kaufmann versuchte ich mich dann in male bonding, wobei der Horror vor einer Sorge um sich (Foucault) sich verlässlich darin ausdrückte: Wenn ich mich eincreme; wenn ich mich selbst berühre in anderer Absicht, als zu onanieren; wenn ich generell gut zu mir sein will: Infiziere ich mich dann nicht selbst mit Homosexualität?

Fand ich todtraurig. Das Kaufen von echt teuren Klamotten, von Gadgets, Wohnungen et cetera wurde ja offenbar als 100 Prozent hetero-männlich erlebt.

Im Cremestübchen ging es uns aber ums Geldmachen. Also importierten wir aus den Staaten ein schwachsinniges Männerprodukt nach dem anderen. Eins war ein Geschirrspülmittel in einer markigen Glasflasche in der Duftnote Bourbon. Das andere ein Raumspray mit dem Geruch von Pistolenöl. Wenn ich in den Verkaufsgesprächen behauptete, jeden Morgen mit Kerosin zu gurgeln, kam das allseits und spitzenmäßig an.

Von daher wundert es mich nicht, aber ich finde es trotzdem todtraurig, dass nach dem Attentat im vergangenen Winter alle Charlie sein wollten, nach dem 11. September waren alle Amerikaner, im November 2015 dann alle Franzosen, bloß: WIR SIND ALLE FRAUEN – das geht dann halt einfach nicht.

Ich mag die Musik von Prince nicht – außer Purple Rain oder When Doves Cry. Aber ich habe mir »If I Was Your Girlfriend« mal auf den Arm tättowieren lassen, da war ich ungefähr sechzehn. Weil das ein sehr schöner Satz ist - vor allem konnte dieser dem Satz zugrundeliegende Gedanke vor einhundert Jahren, ja noch nicht einmal vor dreißig Jahren von keinem Mann weder so gedacht, geschweige denn öffentlich so ausgesprochen werden. Ich bin total dafür, dass er ins Grundgesetz eingemeißelt wird. Und zwar, vorschlagsweise, in dieser leicht gekürzten Form:

If I was your girlfriend, would you let me wash your hair?
Could I make you breakfast sometime?
Or could we just hang out?
I mean could we go to the movies, cry together?
´Cause to me baby that would be so fine

Would you let me give you a bath?
Would you let me tickle you so hard?
You’d laugh and laugh and would you
Would you let me kiss you there?
You know down there where it comes
I’ll do it so good I swear
I’ll drink every ounce