13.12.

Und nur ein einziges unangenehmes Erlebnis an einem von all diesen Orten, die wir dort besucht haben. Das war in Ludwigsburg, auf dem von niedrigen Barockbauten umstandenen Marktplatz. Eine Gruppe von Wachleuten in gelbleuchtenden Westen hatte eine kleine Meute Halbstarker am Wickel, um ihnen das Weihnachtsmarktverbot, einen Weihnachtsmarktsverweis auszusprechen. Die hatten sich unziemlich mit Glühwein betrunken und waren, um Spliff zu zitieren: Lull und lall. Das hat der von Spliff besungene Amaretto mit dem Ludwigsburger Glühwein gemein: Er duftet so scharf wie auch anheimelnd, aber überschätzen sollte man ihn nicht. Zwar versuchte sich einer der Festgenommenen trotz seines angeschlagenen Zustandes mit Argumenten zu verteidigen, doch war sein Process schon im Gang. Mein Vater und ich waren in einigem Abstand innegehalten, da der Angeklagte vorbrachte, er kenne seine Rechte ziemlich gut. Wir waren gespannt. Auch weil wir uns selbst in dem Moment nicht vorstellen konnten, welche Rechte damit gemeint waren. Beziehungsweise gegen welches bestehende Recht der Glühweinjünger verstoßen haben konnte dergestalt, dass ihm nun ein Platzverweis erteilt werden sollte. Barockes Marktrecht zu Ludwigsburg? Neueres Weihnachtsmarktrecht zu Baden-Württemberg? Einfaches et cetera.

Doch dazu kam es nicht. Also weder Urteilsverkündung noch Richterspruch, nicht einmal Plädoyer. Denn es drehte sich der uns nächsten mit dem Rücken zu uns Postierte unter den Westenträgern um, bereit, das war ihm vom Gesichte abzulesen, den nächsten Händel gleich mit uns dort anzufangen: »Ich kann es nicht leiden, wenn man hinter mir steht – geht weiter!«

Das hatte er gespürt, dass wir hinter ihm standen. Durch erhöhte Wachsamkeit sensibilisiert. Ich spüre es ja auch, wenn mir jemand von hinten in die Zeitung starrt. Die bohrenden Blicke, direkt physisch, wie gläserne Stangen, wenn jemand versucht bei mir mitzulesen. In meinen Zeilen!

Mein Vater erzählte von einer Prüfung bei der Bundeswehr, wo sich der Kommandant hinter einen Soldaten stellte, und der hatte das auszuhalten, über eine lange Zeit. Die Anwesenheit des anderen und dessen Blick, die sich ihm in den Hinterkopf bohrten.

Diese seltsame Gabe oder Fähigkeit von Mensch und Tier, die auratische Wahrnehmung der Vorgänge jenseits des eigenen Gesichtskreises, wurde übrigens in meinem neuen Telefon eingebaut. Liegt es irgendwo herum im sogenannten stand by (analog zum »Rührt Euch!« beim Militär) und ich nähere mich mit meiner Hand, leuchtet es auf und signalisiert damit Bereitschaft (analog zum »Stillgestanden!«, oder zum »Achtung!«, je nachdem, was mir meine Phantasie eingibt; was mein Telefon angeblich tut oder ob es gar träumt, wenn es im stand by »vor sich hin liegt«.)

Weil ich nur Menschliches kenne (durch meine Erfahrungen mit mir und aus der Beziehung zu anderen) und Tiere (aus der Forschung und der Beobachtung), vom geheimen Leben der Geräte aber so gut wie gar nichts weiß, scheint mir mein Telefon durch seine Wachsamkeit sensibilisiert.