13.4.

Österliche Gefühle vom Suchen und Finden. Es gibt derzeit viel nächtlichen Aufruhr in den Schlafgebieten der Wassertiere, die bei Sonnenaufgang in Kleinarbeit zu Brutstätten umgebaut werden. Ich erinnerte mich an das vergangene Frühjahr, als bis in den Sommer hinein das in den Schatten unter dem Steg plazierte Nest der Blässhühner dreimal zerstört und dreimal an derselben Stelle auf ein Neues errichtet wurde. Von denselben Hühnern. Jedenfalls nahm ich das an. Sie sahen für mich ja allesamt identisch aus. Dummheit oder unermüdlicher Glaube an die Richtigkeit ihrer ursprünglichen Entscheidung, dass dort der ideale Ort wäre, um ihre Brut aufzuziehen. Am Ende wurde daraus dann gar nichts, und sie fuhren sinnlos geworden, Nahrung aufnehmend und sich selbst erhaltend, dem herbstlichen Dasein entgegen (im für ihre Art typischen Zickzack). Ihr Leben »erst recht« genießend, sorglos wahrscheinlich schon; dafür einfach fett werdend, fetter als die anderen Hühner und Hähne, die mit ihren Nistplätzen ein besseres Gespür bewiesen hatten, oder einfach bloß Glück gehabt, das ist einem Blässhuhnpaar double income no kids nicht möglich.

Beim Schneiden eines Petersilienbüschels, mit nobler Geste, wie schon ein Adliger im 14. Jahrhundert seine Petersilienbüschel schnitt (allerdings gab es da noch keine Spaghetti in diesen Breiten), schnitt ich mir recht bäurisch, aber irgendwie auch passend als Zutat zu einem herzhaften Mahl, in den ländlichen Daumen, ganz vorne an der Kuppe, woraufhin dort von meinem Daumennagel fortan ein halbmondförmiges Stück fehlte. Aber darunter blutete es kaum. Das nahm ich als Zeichen für die beginnende Nacht zum Gründonnerstag, die für mich ja auch eine Nacht des Anfangens, des Heilens und die einer Zusammenführung ist. Außerdem wurde ich abgelenkt, weil im Anschluß an die Dauerwerbesendung für die Tagesschau-App ein Brennpunkt, wie es noch immer heißt: ausgestrahlt wurde, in dem ein Terrorexperte des Ersten Programms das Bombenattentat auf den Fußballbus analysierte. Der Sportchef des WDR erläuterte, dass im Fußballsport der letzte (oder einzige) Kitt bestanden habe, der die deutsche Gesellschaft zusammenhält. Ungefähr da passierte mir das Malheur mit dem Petersilienbüschel und mir fiel eine Szene für einen Krimi ein, in dem der Hauptdarsteller sich versehentlich sämtliche Fingerkuppen abtrennt. Er will Hilfe anrufen, aber es geht nicht, weil er mit den Fingerstümpfen hilflos auf dem Glas seines Smartphones herumglitscht. Eventuell bittet er Siri um Sprachassistenz, aber sie versteht ihn immer falsch.

Spannend! Es müsste halt noch geklärt werden, wie genau er seine Fingerkuppen alle auf einmal verliert. Eventuell auch kurz nacheinander. In einer Kaskade unglücklicher Zufälle (Tarantino). Oder durch einen Psychopathen (wie in dem Traum vom irren Kutscher bei Proust, der ihm die Fingerspitzen erst abzubeißen versucht und sie schließlich einfach absägt).

Am Morgen dann Sonnenschein, der in grellgrünen Streifen schräg auf dem Rasen lag. Aus tiefem Heilschlaf erwacht, die Wundoberfläche hatte sich wie von allein verschlossen. Das Nachwachsen des Daumennagels, das ein Wahrheit ja ein Absterben bedeutet, wird aber deutlich langsamer vor sich gehen.