13.9.2019

Nach dem Abendessen begleitete ich Friederike auf einem Spaziergang durch die Innenstadt (es war dunkel). Gespräch über die zweierlei Gesichter des Stadtlebens, das des Tages, das der Nacht; wie sie sich anscheinend gänzlich unterscheiden. Eine Schnittmenge gibt es selten bis kaum. Vor einer sanierungsbedürftigen Kirche nahe Basler Platz lagen auf teils selbstfabrizierten Matratzenlagern, teilweise aber waren die aufgebockt und wirkten dadurch wie Krankenhausbetten, Männer und Frauen, wie zu einem Schlafzug hintereinandergereiht vor dem Bauzaun entlang. Niemand sprach, die meisten lagen schon eingerollt unter Decken, das Gesicht natürlich abgewandt von der autofreien Seitenstrasse, auf der wir gingen. Ein Mann war in das stumme Geschehen auf seinem Bildschirmchen vertieft. Der Abglanz auf seinem Gesicht in der typischen Lichtfarbe: Wie millionenfach genau jetzt, zur nächtlichen Stunde, überall auf einer Hälfte der Welt. Quer durch sämtliche Schichten.

An der kleinen Kreuzung bogen wir rechts ab in eine Gasse, an deren Ende es dunkler wurde. Ich dachte an den Text von How Beautiful You Are, und dass wir beide gottlob anders waren. Am Strassenrand parkte ein Maybach mit Stuttgarter Nummernschild. Hinter dem stillgelegten Gleis und dem Rasenstreifen: Der Main. Auf dem Musikschiff war eine Art Schwarzlicht angeschaltet. Die Herrenhemden und die Blusen des Bedienpersonals trieben wie schwebend hinter den dunklen Fensterscheiben durch den Raum. Ein vorletzter Gast mit weit geöffnetem Hemdkragen (Typ Johann Holtrop) stand wie aufgepumpt vor einer Theke. Das Gelächter war fühlbar, von den schattigen Lippen abzulesen, mehr an seiner geschüttelten Haltung, wurde aber soundmässig von der Musik überdeckt. Es lief Street Life. 

Wir sassen auf einer Bank am Uferweg und eine Angestellte der Cateringfirma hatte den Wache haltenden Polizisten eine Reihe von Papiertüten gebracht mit Resten des Caterings. Das improvisierte Buffet auf der Sitzfläche der Nachbarsbank hatte weitere Kollegen angezogen, die leuchteten mit ihren Taschenlampen in die anscheinend unterschiedlich gepackten Tüten. Jeder fand etwas, nahm sich, schlenderte mit dem Sandwich und einem Fläschchen davon. Wir alle hier rasteten für Momente rings um eine schwimmende Oase.

Das Musikschiff, auf dem jetzt im oberen Stockwerk die Sitzkissen zusammengestapelt wurden, während unten die Lieder bloss noch für diesen einen, den einzigen und letzten Gast im Hemd gespielt wurden, war umkreist von beigedrehten Schnellbooten der Wasserpolizei, die wir erst entdeckt hatten, als wir uns auf den Heimweg machten. Eventuell hatte es, als die wichtigen Gäste noch an Bord gewesen waren, sogar einen Hubschrauber gegeben, der den Luftraum über dem Musikschiff zu sichern gehabt hatte. Der Maybach gehörte demnach zu dem hartnäckigen Gast.

Am nächsten Tag dann: Wolken. Jede einzelne schöner als jeder Zeppelin (sogar die grauen).