14.1.2019

Landschaft im Wind. Kurz nach drei Uhr war ich aufgewacht von dem Geräusch und konnte nicht mehr wieder einschlafen; lag da und lauschte dem Wind. Die App zeigte den Wind an mit einem seltenen Symbol: gewellte Linien, von denen die zuunterst dargestellte sich einrollt wie ein Bischofsstab oder der Trieb eines Farns. So tief ins uns eingeschrieben ist das Wissen um die Erscheinung des Windes, das man ein abstraktes Symbol unzweifelhaft begreift. Die App zeigte in der Vorschaufunktion der Tagstunden auch einen Slot an, in dem die Sonne durchscheinen würde, bevor es sich zuziehen würde am Himmel nach Mittag. Ein Gang in den Wald schien mir angezeigt. Lange war ich nicht mehr dort gewesen. Wußte schon nicht mehr, wie er ausschaute.

Und erkannte ihn dann auch nicht wieder. Im Eingangsbereich war ein Schild aufgestellt, auf dem mitgeteilt wurde, dass derzeit die Holzernte eingebracht wird. Vor und hinter den Geräten habe man »einen Abstand von 50 Metern« einzuhalten. Was mir aber gleich nicht möglich war, denn eins der Geräte wurde direkt hinter diesem Schild betrieben. Holzernte ist vom Prinzip her nichts anderes als Mais- oder Getreideernte, bloß sind halt die Halme vergleichsweise riesenhaft. Baumstämme werden deswegen mit riesenhaften Mähdreschern geerntet. Deren riesenhafte Profilreifen hatten den mir in seiner ursprünglichen Version vertrauten Waldweg in einen artisanal-brotkrustenhaft geprägten Hindernisparcours verwandelt. Entlang der nicht kurzen Strecke durch den deutlich gelichteten Wald meiner Erinnerung türmten sich linkerhand die Packen mit dem geernteten Holz. Es war mir in den vergangenen Zeiten nie wirklich klar gewesen, dass dieser Wald, den ich mir zur Freude aufsuchte, im Kern ein Feld war aus Bäumen, die dort zum Zwecke der Holzgewinnung wuchsen. Ganz schön naiv.

Meine Privatplantage mit dem Wellingtonienkeim hat ja leider über die Stille Zeit das Zeitliche gesegnet. Stattderen wächst nun aus dem Topf eine Eiche, die schon vier ihrer charakteristisch geformten Blätter zeigt. Da ich mit dem fünfzig-Pfennig-Stück aufgewachsen bin und von daher mit dem Bild der eine junge Eiche umsorgenden Frau, die übrigens ein Kopftuch aufhatte, etwas wie Wert verbinde, bringe ich es nicht fertig, die Eiche in spe wegzuschmeissen. Auch nicht, wo mir doch jetzt drastisch vor Augen geführt worden ist, wohin Baumwachstum im Endeffekt führen kann.

Am See schwebten die Möven kunstvoll im Wind, surften seitwärts durch die Lüfte, manche standen einfach still in der Luft bei ausgebreiteten Flügeln. Ich machte ein Foto von der Wirkung des Windes, bei dem mir der Apparat ins Flattern kam. Aber auf dem Bild war der Wind selbst natürlich nicht zu sehen.