1.5.

Am Nachmittag wehten Grilldüfte durch die offenen Fenster herein, die Verkehrsschiffe liefen im Viertelstundentakt, dabei stets auf die Minute pünktlich, in den Hafen ein und aus dem Hafen aus, auch konnte man durch die Hecke und hinter den Bäumen schon die Parkbesucher hören, wie sie es sich dort auf den von der öffentlichen Hand gepflegten und zur Verfügung gestellten Grünflächen am Ufer gemütlich machten. Ihnen lachte die Sonne. Das wollten wir auch.

Gesagt, getan. Tatsächlich waren nur Augenblicke verstrichen, da lagen wir bereits auf einem Sarong am Hang, der Rasen war schon etwas angewärmt von der vormittäglichen Sonnenbestrahlung, vielleicht war es auch die restliche Körperwärme von anderen Menschen, die vor uns dort auf diesem herrlichen Fleckchen Erde gesessen hatten – oder gelegen, gelagert: Uns focht’s nicht an.

Die Nachbarn hatten ihrem Rucksack eine orangefarbene Dose entnommen, die Propangas enthielt. Nach einer Weile war daraus eine Shisha gewachsen (wie eine Stadt). Sämtliches Zubehör für die am Ende beinahe mannshohe Apparatur hatte sich in diesem unauffälligen Rucksack verbergen lassen, unglaublich. Wobei: Weshalb denn verbergen? Das Genießen von Wasserpfeifendampf in öffentlichen Grünanlagen war in Deutschland ja nicht verboten – soweit kommt es auch nicht! Bald wurde angepafft und der Schmauch, der angenehm nach Walderdbeerchen mit Sahne duftete, trieb über den Rasen und direkt in meine vor Schläfrigkeit geblähten Nüstern hinein, die übrigens, darauf wurde ich schon des Öfteren von den im nahegelegenen Borussiapark herumstreunenden Kindern hingewiesen: den Nasenlöchern Otto von Bismarcks ähnlich sind. In diesem Borussiapark, der bekanntlich nichts mit dem Dortmunder Ballspielverein zu tun hat, sondern dem Wahrzeichen Preussens, der Borussia, gewidmet ist, die als einen Lorbeerkranz aufhabende nackte Frauenfigur dort präsentiert wird, wie eben auch eine Büste des Reichskanzlers aus weißem Stein und vor dieser stehend, schauen selbst erwachsene Betrachter und Parkbesucher, also beileibe nicht bloß Kinder unweigerlich in die auf ungewöhnliche Weise detailverliebt gearbeiteten Nasenlöcher dieser Bismarckstatue hinein. Von daher, beziehungsweise that’s why.

Ich schlummerte, und im Halbschlaf war mir bald schon die Buchstabenfee erschienen, nackt, und sie zeigte mir, von Girlanden des Satzbaus umweht, die Schönheiten deutscher Sprache. Danach glitt ich noch tiefer in den Schlaf und träumte dort an einem Geschehen fort, das ich neulich als ein längeres Gedankenspiel begonnen hatte. Nämlich als ich in der Zeitung las, dass in der Stadt Wittenberge nun von der Evangelischen Kirche ein Segnungsroboter aufgestellt worden war. In dieser Zeitung hatte man dem Artikel freilich kein Bild beigestellt und so konnte sich meine Fantasie, wie solch ein Segnungsroboter aussschauen könnte, ganz ungehemmt entfalten. Ich sah ihn natürlich ohne ein Gesicht, ganz ohne Augen vor mir. In dem Artikel stand, dass die Figur zum Segen ihre Arme mit roboterhaften Bewegungen hebe, und dass dann zum Segensspruch, der in einer von wahlweise fünf Sprachen, sogar Hessisch darunter, ertönt aus dem Inneren des Gerätes, dessen Hände aufglühen. Also wie bei E.T. So stellte ich es mir vor. Und kam dann von der glühenden Fingerspitze des Außerirdischen und Martin Luthers elektrischem Verkündungsknecht, gebenedeit sei die Steckdose, umflort vom Aroma des Waldbeerenschmauchs am Fuße des Borrusiaparks auf diese Vision zurück, die ich neulich als Wachtraum empfangen hatte, dass nämlich als Vorbereitung auf Industrie 4.0 und auch als Serviceoffensive in der einstmaligen Servicewüste Deutschland in sämtlichen Berufen, in denen im Dialog mit dem Kunden nicht unbedingt Freundlichkeit und Smalltalk vonnöten sind, als Arbeitskleidung eine stilistisch und auch ganz konkret an die Burka zumindest stark angelehnte Tracht obligatorisch wird. Ich dachte und denke hier speziell an beispielsweise Verkaufspersonal in Bäckereien, an Kundenberater in den Finanzbehörden, Verkäufer am Tankstellentresen, Tresenpersonal in Bars und Kneipen, in denen man sich sowieso nur besaufen will und in denen es so laut ist, dass man sowieso nur schreiend bestellt. Aber auch bei den Großen der Systemgastronomie: McDonalds, Maredo, Vapiano, Paulaner könnten die in der Burkatracht durch ein Sprechgitter kommunizierenden Servicekräfte den Grundgedanken solcher Unternehmen vollenden. Sie treten dort als Zwischenwesen auf, bis sie dann bald durch ähnlich geformte und gestaltete, aber noch etwas entschieden roboterhafter umhergleitende Roboter ersetzt werden. Halb Cosplay, halb gemeinschaftliche Einübung einer Servicegesellschaft hinsichtlich eines Künftigen, dessen Ankunft dadurch verkündet wurde. Durch sie.