15.8.

Beim Verspeisen eines ausgezeichneten Gerichtes, dem Tintenfisch auf zweierlei Arten mit Pfeffer und Salz, das es in der Stadt nirgendwo besser gibt als im betont herzlos eingerichteten Restaurant Aroma (die knusprig umhüllten Tintenfischstücke werden auf einem knusprigen Hügel goldbraun frittierter Knoblauchwürfelchen arrangiert), stellte ich irritiert fest, dass an jedem Laternenpfahl entlang der Kantstrasse ein Bild des jungenhaft lächelnden Tim Renner hing. Weil er, das hatte ich gar nicht mitbekommen, als Spitzenkandidat der örtlichen SPD für den Bundestag kandidiert. Sein Rivale von der CDU heißt Klaus-Dieter Gröhler, bei ihm ist im Hintergrund die charakteristische Fachwerkoptik am Giebel der S-Bahnstation Grunewald zu erkennen – warum ausgerechnet der? Weil er dörfliche Behaglichkeit verspricht. Bei Tim Renner ist, wie bei allen anderen SPD-Kandidaten, Martin Schulz zum Beispiel, der Bildhintergrund weiß gehalten. Anders als Gröhler verspricht Renner zunächst einmal nichts anderes als sein Gesicht.

Im Gegensatz zum Bild von Tim Renner wurde das Gesicht des Kanzlerkandidaten Martin Schulz ziemlich retuschiert. Man erkennt ihn zwar noch, zweifelt aber insgeheim, ob man ihn nicht verwechselt – also ob es in Berlin vielleicht einen Bezirkskandidaten gibt, der ebenfalls Martin Schulz heißt. Ein Phänomen, das neulich schon in einer Karikatur der Stuttgarter Zeitung thematisiert worden war: Dort waren Martin Schulz und Sigmar Gabriel vor einem frisch geklebten Wahlplakat abgebildet. Darauf der Slogan »Wählt Manfred Schulz!« Der gezeichnete Schulz hatte eine Sprechblase, in der er sich über den Druckfehler beschwerte »Ich heiße aber Martin Schulz!« In der benachbarten Sprechblase von Sigmar Gabriels stand der Satz »Ist das denn so wichtig?«

Die Kellner im Aroma ficht dies nicht an. Für die sehen wir Langnasen allesamt irgendwie so aus wie Klaus-Dieter Gröhler, Martin Schulz oder Christian Lindner oder Tim Renner.