16.2.2020

Frühlingshafte Luft, das Mandelbäumle treibt an den Spitzen seiner Äste erste Blattbündelchen aus, man konnte ohne Jacke gehen. Zum ersten Mal im Museum für Architektur, wo sie zu Ehren von Gottfried Böhm, dem Hundertjährigen, eine kleine Schau eingerichtet haben zur Entstehungsgeschichte seiner Wallfahrtskirche in Neviges. Die habe ich ja leider viel zu spät entdeckt, schon damals wurde sie restauriert und die Arbeiten sind wohl auch noch immer nicht abgeschlossen. Der Auftrag wurde noch vom sagenhaft berühmten Kardinal Frings selbst erteilt, der damals schon so gut wie blind gewesen sein soll. Die Sage geht, so las ich heute auf dem Wandschild, dass er die aus Karton geklebten Modelle der in Frage kommenden Architekten mit den Fingerspitzen befühlt haben soll, um dann für den Böhmschen Entwurf zu entscheiden. Die Konkurrenz hatte etwas Kistenförmiges und einen Trichter zur Wahl hingestellt. Auf einem historischen Luftbild sah ich heute zum ersten Mal, wie nahe der schöne Baukörper an die übrigen Gebäude und in das Städtchen mittenrein plaziert wurde. Die Aufnahmen und Zeichnungen, die ich kannte, hatten die umgebende Wirklichkeit in die Ferne gerückt. Jetzt kam es mir so vor, als ob da ein monumentaler Backenzahn aus einem ohnehin schon überfüllten Kindermunde stach. Vor einer Wandtafel stehend, auf der die Probleme bei der Sanierung von Betonbauten erklärt wurden, schnaubte ein Besucher mit Kinnbart zu seiner Frau «Ich rate zur Sprengung!» Dazu sagte sie nichts. Er wiederholte es. Sie wandte sich um und ging zu einer großformatigen Fotografie eines von Böhm gestalteten Kirchenfensters, das eine abstrakte Darstellung einer grünen Schlange zeigt, weil es den Sieg über das Böse zum Thema hat. Ihr Mann folgte ihr, aber bloß um ihr zu sagen, dass er zur Sprengung rate. Sie würdigte ihn keinen Blickes, studierte stattdessen die Fotografie. Ich beeilte mich, den Raum zu verlassen.

Draussen vor der Tür standen die Menschen hunderte Meter lang um das Städel Museum herum an, um dort die Ausstellung «Vincent Gogh und die Deutschen» sehen zu dürfen. In den Vogelbeerbüschen sprang wippend ein Amselhahn umher; auf den Vogelbeerbüscheln wippend; sich mit seinem safrangelben Schnabel die saftigen Vogelbeeren pflückend.