16.9.2019

Friederike, schlafend schaut für mich aus wie la muse endormie von Brancusi (bis auf die Andeutung des Haars, die er besser gelassen hätte). Möglicherweise gibt es ja: eine Vorstellung vom universalen Antlitz der Muse (die zumindest für einige wirksam sein könnte). Gestern früh jedenfalls ertastete ich im vordersten Glied ihres Mittelfingers seitlich ein winziges Horn, ein gehörknöchelfeines, das sich dort offenbar von dem regulären Fingerknochen wegstrebend gebildet hat. Nach einiger Überlegung wurden wir fündig, indem sie ihre typische Handhaltung einnahm, mit der sie auf dem Mobiltelefon schreibt. Der Rahmen des Gerätes wird dabei genau an dieser Stelle von der Seite des Mittelfingers gestützt. Es handelt sich also offenbar um ein Entgegenkommen des Körpers zum Vorteil der Bewusstseinsverlängernden Apparatur. Zum Glück völlig ungefährlich! Aber das Tagebuchschreiben fordert halt neben den vielen Vorteilen, die es bringt, auch seinen Tribut. Zumindest, so lange man es auf dem Telefon tippend betreibt. Auf einer Internetseite waren allerdings auch drastische Auswirkungen bei exzessivem Telefongebrauch zu betrachten. Röntgenbilder—man weiss halt nie, ob die authentisch sind—sollen dort beweisen, dass einem auf Dauer ein kleines Horn aus dem Schädelansatz am Genick wächst. Angeblich, weil man andauernd nach unten aufs Display schaut. Solange das alles bloss Überbeine sind, kommt mir das Ungefährlich vor. Meine Grossmutter musste sich mehrfach die Überbeine an den Füssen wegfräsen lassen (operativ), die ihr durch das Tragen von High Heels gewachsen waren.

Zu Mittag dann Besuch von Gudrun Sander. Letzte Besprechung wegen der Lesung heute abend bei Gulasch mit Spätzle. Heitere Stimmung, ich sehe der Sache mit Gelassenheit entgegen. Noch! Das Hosenflattern kommt früh genug.