18.8.2019

Die Tauben sind zurück. Nachdem ich aus der Verzweiflung kurz der wahnhaften Idee verfallen war, das Eichhörnchen könnte das Nest allein zu dem Zweck renoviert haben, um die Taube anzulocken mit dem Hintergedanken, sie ihrer Eier zu berauben; und der damit einschiessenden, noch wilderen Fantasie, das Eichhörnchen konspiriere mit der Krähe zu diesem Zweck; die beiden beabsichtigten mit der Beute halbe-halbe zu machen, gab ich es vorläufig ganz auf und mich selbst anheim: dem traurigen Naturtheater. Wie denn überhaupt konspirieren—gestisch? Pantomimisch, animalisch-telepathisch? Und wozu brauchte ein Eichhörnchen Hintergedanken? Seine Handlungen, wenn nicht gar die Wesenshaftigkeit seiner Erscheinung müsste der Taube doch hinlänglich schleierhaft sein. Sozusagen unbegreiflich. Aber wie es auf der (aus dem Indischen übersetzten) Anleitung meines Tees so richtig heisst «Boil the water fully, But do not Overboil».

Die London Review of Books hat einen interessanten Text, der an die Zeit erinnert, als London noch die grösste Stadt der Welt war: Am Ende des 19. Jahrhunderts lebten dort wohl noch viel mehr Menschen als in New York City, und selbst Tokio war damals um 5 Millionen Einwohner zahlenmässig unterlegen. Ein Buch von Brenda Assael beschreibt die erste Blüte einer Restaurantkultur in dem London dieser Ära, als allabendlich Millionen die Gasthäuser füllten, die, man glaubt es kaum, mehrheitlich von Deutschen betrieben wurden. Bevor diese Einwanderer die gastronomische Landschaft der Hauptstadt bereichert hatten, ernährte man sich dort angeblich zu einem überwiegenden Anteil von Koteletts (Hammel, Schwein, Lamm) und als Beilage gab es traditionell Porridge. Dann ändert sich die britische Esskultur zumindest in London für ein paar Jahrzehnte, aber dann beginnen die Vorbereitungen für den Ersten Weltkrieg, und die gastronomischen Wanderarbeiter verlassen die Insel. Dann Weltwirtschaftskrise, dann Zweiter Weltkrieg. Claudia Roden hat mir das einst erzählt, als ich sie für ein Interview in ihrem Haus in Golders Green besuchte: Wie das war, als sie in den fünfziger Jahren mit ihrer Familie auf der Flucht vor dem Sechstagekrieg in London angekommen war; wovon die Londoner sich da ernährt hatten (Spaghetti On Toast). Und sie war an die üppige und variantenreich zusammengestellte Kost des Mittleren Ostens gewohnt.

Dann gab es, auch befördert und betrieben durch Leute wie Claudia Roden (die ein Haus neben dem von George Michael hatte), aber halt auch eingebracht durch Tausende von Libanesen, Österreichern, Franzosen, Deutschen, Italienern, Indern, Arabern und Japanern und Taiwanesen und Vietnamesen und immer so weiter und immer so fort ein paar Jahrzehnte lang bis ins 21. Jahrhundert hinein eine mehr als anständige Esskultur nicht bloss in London, sondern sogar auf dem englischen Land.