21.11.2019

Noch ein Café (am Marktplatz, unten am Ufer der Weil), daneben ein Friseurbetrieb für Männer («King-Barber»); die Betreiberin des anderen Friseurgeschäfts, neben dem Fachwerkhäusle des Heimatvereins, steht manchmal unter dem Reklameleuchtkasten für Keralogie und raucht Zigaretten. Sie trägt ihr Haar im Stile Brigitte Macrons. Zwei Thai-Massagestudios — unklar, ob mit, ob ohne Happy End —, das eine in den ehemaligen Räumlichkeiten des Cafés der anderen Bäckerei («Weil»), die jetzt, im Gegensatz zum Möller, bloss noch als Bäckerei firmiert, das andere direkt neben dem Kebap- und Pizza-Restaurant. Ein «Schlachthaus» namens Asfa — erstaunlich, wohin es doch die Äthiopier überall hin verschlägt. Ein privater Pflegedienst, eine Fusspflegerin, ein orthopädischer Schuhmacher. Ein Brockenhaus, das sich hypertropherweise «Auktionshaus» nennt. Ein Blumengeschäft. Eine Gärtnerei. Eine Tankstelle («Total»). Eine Sparkasse, eine Volksbank. Penny, Aldi, Rewe (mit «Getränkemarkt»). Zwei Kirchen.

Und ein Kino immerhin (deshalb bist du hier).

Abends plötzlich Appetit auf Pizza. Als ich das auf Kebap und Pizza spezialisierte Haus betrete, bin ich überrascht von der Weite des Gastraumes: sechzig Personen könnten hier gleichzeitig und dabei bequem ihr Abendbrot einnehmen. Ich bin allerdings der einzige Gast. Wie finanziert sich das bei den hier im Taunus üblich gewordenen Mietpreisen?

Von meinem Tisch, direkt unter einem grossflächigen Bildschirm gelegen, der stumme Musikvideos zeigt, kann ich in das durch eine gläserne Schiebetür abgetrennte Zimmer hineinsehen, das als «Raucherraum» gekennzeichnet ist. Nachdem ich meine Pizza ausgewählt (Corleone mit Salami) und bestellt habe, wird diese Trennwand zur Seite geschoben und die vier jungen Männer, die dort ihre Köpfe zusammengesteckt hatten, setzen sich hierbei mir im Hauptraum an einen Tisch. Sie reden ungeniert und dröhnend von ihrem Geschäft, wohl weil sie annehmen, dass ich ihren Jive ohnehin nicht dechiffrieren kann. Ich bin der einzige Weisse im Raum. Die Rede ist von «Hähnchen», aber nicht die aus dem Wienerwald, es geht ums Ballern. Dann freilich um die Freizeitgestaltung, um Fitness und ein neues Proteinpulver der Marke Gamechanger. Frankfurt ist knappe sechzig Kilometer nah, und Frankfurt strahlt aus. In alle Richtungen, auch in den abgelegensten Winkel des Taunus hinein. Oskar meint, auch Darmstadt sei deswegen ein einziger Drogensumpf. Und Weilmünster hat einen frissonierenden Eishauch von Lumberton herübergeweht bekommen für mich.

Pizza war i.O.