21.3.

Riesige, wahrlich riesenhafte Enttäuschung beim Anlesen eines beinahe ganzseitigen Vorabdrucks des so lange schon angekündigten Größten Romans aller Zeiten meines absoluten Lieblings-Schriftstellers Maxim Biller in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Gegen Sexszenen als solche habe ich ja rein gar nichts, ja, ich halte sie sogar für die Extremkür des Gewerbes, aber derart schlecht - beziehungsweise: Solchen Judenkitsch will man doch echt nicht vorgehalten bekommen am Gerichtshof der toten Künstler (also ich speziell bitte nicht!!!).

Ich spare mir hier die insbesondere und sogar für Maxim Biller selbst peinlichen Zitate aus diesem »Entwicklungs-, Liebes-, Künstler-, Familien-, Wende-, Spannungs-, Heimat- und Holocaustroman Biografie«, den er da verfasst hat. Gute Nachrichten gibt es aber auch, denn das iPad Pro hat eine Split-Screen-Funktion und endlich kann ich verkrampfungsfrei Interviews von Youtube abtippen, beispielsweise halt das von Maxim Biller aus dem Jahr 1996, als er zum beinahe allerersten Mal bei Harald Schmidt zu Gast war.


HARALD SCHMIDT
Meine Damen und Herren, jetzt kommt ein Mann. Er war vor – vier Wochen, glaube ich, hier, Anfang Juni, mit seiner jungen Frau, die er kurz zuvor in Las Vegas geheiratet hatte. Heute, wir haben es ganz am Anfang gezeigt: große Schlagzeile »Scheidung nach vier Wochen!« Wie ist sowas möglich? Exklusiv vom Ehemann selbst: der Tarzanbericht. Herzlich willkommen, Maxim Biller!

(Applaus)

Ich weiß gar nicht, ob ich dich so fröhlich begrüßen kann. Wie ist denn deine Stimmung?

MAXIM BILLER
Gut. Ziemlich gut.

HARALD SCHMIDT
Wirklich?

MAXIM BILLER
Ja, ein bisschen erleichtert, was?

HARALD SCHMIDT
Inwiefern erleichtert?

MAXIM BILLER
Na ja, so eine Ehe ohne Ehevertrag ist ja immer ein Pfad ins Ungewisse. Und ich hatte schon so meine Probleme, nachts und so.

HARALD SCHMIDT
Inwiefern?

MAXIM BILLER
Na, wenn ich so überlegt habe: Wie geht das alles weiter und so. Es war ja so, wir kannten uns ja erst nur im Urlaub. Wir kannten uns ja vorher nicht. Ich bin nur mit ihr in den Urlaub gefahren, die Sonne schien - im Gegensatz zu hier. War alles wunderbar und so, wir sind die ganze Zeit nur schwimmen gegangen, ganz spät aufgestanden morgens, und Fun gehabt, Disko und so. Ja, und das war eben auch alles ziemlich lustig, aber als ich dann nach Hause gekommen bin, und das Alltagsleben losgehen sollte - ich war gerade dabei, einen neuen Roman zu verfassen -, da wurde das alles so ein bisschen enger.

HARALD SCHMIDT
Wir haben den Ausschnitt! Falls sie die Sendung am 13. Juni nicht gesehen haben, da haben wir das Thema schon ein Mal angesprochen. Ich meine: Im ersten großen Verliebtsein ohne Ehevertrag geheiratet - wir zeigen noch kurz den Ausschnitt, als Maxim Biller am 13. Juni hier war. Bitte!

(Videoeinspielung)

Harald Schmidt
Ist die Liebe so groß, so wahnsinnig, dass ihr keinen Ehevertrag habt?

Maxim Biller
Wir haben keinen, stimmt.

Harald Schmidt
Heißt das, wenn die Frau nach vier Stunden feststellt, man hat sich auseinandergelebt: Ist dann die Hälfte des Vermögens weg?

Maxim Biller
Nee. Dann ist das eine Kurzehe, dann war das ein Joke. Und dann muss man nichts zahlen.

Harald Schmidt
Aber wir sollten gar nicht so reden, wo die Liebe noch so frisch ist!

(Ende der Videoeinspielung)

MAXIM BILLER
Harald, du hast prophetische Fähigkeiten. Das wusste ich gar nicht.

HARALD SCHMIDT
Ja, ich meinte vier Stunden, es waren dann vier Wochen - jetzt: »Kurzehe«, »ein Joke«, »man muss nichts zahlen«. Ist das wirklich so?

MAXIM BILLER
Ein bisschen was zahlen muss ich bestimmt. Ich hoffe, nicht so viel. Aber ich meine, wenn man es locker sehen würde: Das war die Sache mir echt wert. Das war ja eine attraktive Frau. Ich meine: Die sieht hübsch aus und so. Und das war am Anfang auch echt toll. Nur als dann das ganz normale Leben anfing… ich muss unheimlich viel arbeiten, und das ging einfach nicht. Ich mache meine Literatur, wollte morgens eben schreiben und sie meinte: »Spiel jetzt mit mir«!

HARALD SCHMIDT
»Lass uns was unternehmen«?

MAXIM BILLER
Ja, sie wollte eben beschäftigt sein. Und ich konnte das einfach nicht. Also ich wollte schreiben, und das dauert eben auch ein bisschen. Und ich stehe da natürlich auch ein bisschen unter Leistungsdruck immer - nein: beruflich. Beruflich! Literatur ist mir einfach sehr wichtig, und das hat einfach nicht zusammengepasst. Weil sie, also: Ich hatte mir das ein bisschen anders vorgestellt.

HARALD SCHMIDT
Hast du mal versucht, mit ihr darüber zu reden? Also: »Schatz, wie wäre es, wenn Du mal vor 14 Uhr aufstehst«? Das steht ja heute in der Zeitung. Ist das so?

MAXIM BILLER
Also alles, was da heute in der Zeitung steht, ich kann’s ganz ehrlich sagen: Das stimmte total. Das wurde total richtig wiedergegeben, das habe ich auch gesagt. Aber nur das Problem ist, wenn ich zum Beispiel am Arbeiten war oder so, vergisst man ja auch so ein bisschen was drumherum. Und ich wollte dann mal ein bisschen was zu essen haben oder so. Wenn dir deine Frau dann sagt… Weißt du: Wenn dir deine Frau dann sagt: »Fahr ins Nachbarsdorf und hol‘ Dir was zu essen«…

HARALD SCHMIDT
Ja, stimmt. Da hört der Humor einfach auf.

MAXIM BILLER
Man könnte es auch abwandeln. Manche sagen ja: Liebe geht durch den Magen. Aber wenn du nie was zu essen kriegst, wird es echt eng irgendwie.

HARALD SCHMIDT
War es so, dass du zu ihr gesagt hast »Jetzt reicht’s«, oder ist sie von sich aus abgehauen?

MAXIM BILLER
Nein, es war so, ich dachte, abends würde sie kommen…

(Mega-Applaus)

MAXIM BILLER (contnd)
…nach Hause kommen! Also ich hatte gedacht, sie würde abends nach Hause kommen! Ja, ich lag dann abends um zwölf Uhr im Bett und habe gewartet, dass meine Frau jetzt endlich nach Hause kommt, und da sagte sie »Schatzi, hast du schon in den Schrank geguckt?«, und das tut man ja nicht, normalerweise. Und da waren gar keine Kleider mehr drin. Und da war sie also in der Zwischenzeit ausgezogen und da dachte ich: Na ja, wenn sie auszieht, dann reiche ich eben die Scheidung ein.

HARALD SCHMIDT
Das sieht aber doch nach einer Sache aus, die juristisch noch ein bisschen - läuft das schon über Anwälte?

MAXIM BILLER
Ja, klar.

HARALD SCHMIDT
Du musst ja dann, glaube ich, auch als Ehemann den Anwalt der Frau bezahlen.

MAXIM BILLER
Das macht besonders viel Spaß!

HARALD SCHMIDT
Und was kann da an Kosten auf dich zukommen?

MAXIM BILLER
Ja, ich hoffe möglichst wenig. Ich hoffe ja, dass wir wenigstens Freunde bleiben.

HARALD SCHMIDT
Das hältst du für möglich! Hältst du das für möglich?

MAXIM BILLER
Wir haben uns am Anfang ganz toll verstanden. Und ich hoffe, wie gesagt, dass man ein bisschen wenigstens befreundet bleibt. Ich meine, klar, von mir aus: auf alle Fälle.

HARALD SCHMIDT
Und jetzt stand in der Zeitung auch, deine ehemalige Freundin sei wieder zu dir zurückgekommen und würde wieder bei dir wohnen. Ist das richtig?

MAXIM BILLER
Sonst wäre ich ja ganz alleine jetzt.

HARALD SCHMIDT
Die hat das so weggesteckt. Die wurde ja auch ziemlich schnell abserviert, und -

MAXIM BILLER
Stimmt überhaupt nicht! Ich hab sie damals angerufen und… Ich meine, ich habe mich damals sehr fair verhalten. Ich habe gesagt: Komm‘ ich geb‘ dir erstmal ‚ne Wohnung, ich geb‘ dir Geld, damit du auskommst - also, damit du dir keine Sorgen machen musst. Wir sind eben seit sieben Jahren sehr gut befreundet auch. Sie ist wirklich mein Freund auch.  Und als ich sie angerufen habe und sagte: Ich brauche jetzt irgendwie auch jemanden, der sehr zu mir steht, und bei mir ist und so, weil so lustig ist das ja auch alles nicht - ja, und dann also da sie mich noch ganz gerne mag, ist sie gleich zu mir gekommen und hat mich eben getröstet.

HARALD SCHMIDT
Das ist aber eigentlich eine große Leistung von ihr!

MAXIM BILLER
Finde ich auch. Ja. Das werde ich ihr auch nie vergessen.

HARALD SCHMIDT
Wirklich?

MAXIM BILLER
Wirklich.

HARALD SCHMIDT
Bis zur nächsten Heirat, oder wie? Das ganze dauert jetzt sicherlich. Wie ganz normale Ehepaare, die sich nach dreißig Jahren oder so scheiden lassen, müsst ihr ein Trennungsjahr machen?

MAXIM BILLER
Nein, das hoffe ich eben nicht. Ich hoffe, das geht ganz schnell jetzt über die Bühne.

HARALD SCHMIDT
Ja.

MAXIM BILLER
Weil ich will jetzt auch wieder ledig sein, und frei sein und so. Und ich hoffe, das mit der Scheidung geht jetzt ganz schnell.

HARALD SCHMIDT
Ich drücke dir wirklich in beider Interesse die Daumen. Dass es sauber abläuft und auch einigermaßen kostengünstig.

MAXIM BILLER
In Zukunft werde ich das so machen wie du.

HARALD SCHMIDT
Sei vorsichtig!

MAXIM BILLER
Ich werde das so machen wie Du. Du bist jetzt mein großes Vorbild, Harald.

HARALD SCHMIDT
Wirklich? Jeden Tag zur Arbeit gehen und immer was auf die Seite legen, ja? Ich finde es klasse, dass du hier warst. Alles Gute, mein Lieber.
Tschüß…
Viel Erfolg!