22.2.2019

So lebe ich (inklusive meiner Wimpernschläge und dem Zeitkristall.) Dann kamen die Fahnen an. Und es war wieder so, wie beim ersten Mal: obwohl mein Name dort vorne dranstand, fing ich an, diesen Text zu lesen und konnte den nicht mit mir selbst in Verbindung bringen. Wer hatte das geschrieben! Und wie zuletzt bei den Fahnen von Untitled, mußte ich inmitten jeder Seite aufstehen und weggehen vom Lesestoff. Aus einem philobaten Fluchtreflex heraus. Es war schwer nur erträglich. Unheimlich nah und gleichzeitig extrem fremd. Rainald hat mir damals in Philomenes alter Galerie in der Schellingstraße diagnostiziert: »Sobald Du weißt, wer Du bist, wirst Du nichts mehr schreiben können.« Das war nach der Lesung mit Ingo und Thomas Meinecke. Auf dem Flyer stand »Like Vanishing Cream.«

Die Wogen. Die Gischt. Und mein Schäumen. Es gibt nur zwei Maßnahmen, die mich beruhigen können. Ich telephonierte lange mit Friederike. Parallel dazu las Jan. Obwohl er ein, wie er es nennt »langsamer Leser« ist. Die Nacht blieb ich schlaflos. Es war dann dunkel, krappenschwarz, und es war auch sehr still. Die Vögel schwiegen. Den Vollmond konnte ich nicht anschauen, weil der Himmel bewölkt war. Ich hatte aber die Erinnerung an den vorigen Tag, als er wie ausgeblasen im blauen Himmel über den Häusern gestanden hatte (viele Fotos gemacht.)

Der Luftdruck war auf 1015,0 Hektopascal gestiegen. Wobei ich dieser App mittlerweile nicht mehr trauen kann, denn mal liegt meine Wohnung angeblich auf 39 Metern über dem Meeresspiegel, dann wieder auf 54—ich brauche vermutlich eine traditionelle Wetterstation, an deren Barometerglas mein Vater früher an jedem Morgen mit der Zeigefingerspitze klopfte, um dann den silbrigen Erinnerungszeiger neu zu justieren.

Georges Simenon mußte sich angeblich schwallartig übergeben, während er seine Romane schrieb. Daran mußte ich denken, es gibt wohl so unterschiedliche Ausprägungen dieser Krankheit, wie es unterschiedliche Schriftsteller gibt. Warum war ich bloß kein Ornithologe geworden! Warum hatte ich die Lehre abgebrochen! Warum habe ich mich nicht gemeldet, als es um den Generationswechsel in der Gartenbaufirma meines Großvaters ging! Weil ich partout ein Künstler sein wollte. Ohne auch nur irgend eine Spur davon zu ahnen, was das bedeuten könnte. Und aber es macht mir einfach bloß reine Freude. Von gestern mal abgesehen—so schlägt mein Herz. Stunde um Stunde. 

Heute besuchte mich Christian, und wir haben den Nachmittag zusammen verbringen können, weil der Internetklempner zwar lange, aber nicht zulange auf sich warten ließ. Das war sehr schön, im Park hat Christian die kuriosen Statuen fotographiert, mir die Aufnahmen auf dem Bildschirm gezeigt und dabei gefragt: »Was mache ich bloß damit?« 

So ist das nämlich. Ich schreibe ja auch nie irgendwas einfach so und für mich.