23.4.

Friedrich Forssman, der Zettels Traum von Arno Schmidt gesetzt hat – zehn Jahre lang hat er die hektographierten Schreibmaschinenseiten der Originalausgabe in den Computer eingegeben und daraus dann die erste barrierefrei lesbare Ausgabe geschaffen - hat mir einmal erzählt, dass er diese zehn Jahre als eine wunderschöne Zeit empfunden hat. Aufgrund dieser Tätigkeit des Dienenden. Er sagte damals wörtlich: »Ich finde es einfach angenehm, dabei meine Gedanken vor sich hin dieseln zu lassen.« Damals machten wir ein Buch zusammen: Ich hatte On Drink von Kingsley Amis übersetzt, Friedrich Forssman hatte aus meinem Manuskript erst ein Buch gestaltet und die Alkilope Eugen Egner durfte dann über die makellos lesbaren Seiten mit blauem Kuli drüberkritzeln. Leider leider hatte kurz nach Erscheinen der Sohn des verstorbenen Schriftstellers, Martin Amis (Abb. Emoji »Face With Medical Mask«) ein Exemplar davon in die Hände bekommen und befahl dem Verlag, die gesamte Startauflage zurückzuziehen, da ich damit ja eindeutig das Andenken an seinen Vater, immerhin Sir Kingsley Amis, in den Schmutz zu ziehen trachtete. Stimmte zwar nicht, sowas von überhaupt nicht übrigens, kam aber anscheinend so rüber. Na ja, Humor. Schwierig.

Im September 2015, vielleicht auch schon im August, das lässt sich im Nachhinein bei Twitter nicht mehr so genau recherchieren, begann ich auf einen Hinweis Friederikens hin, @dickebuerste53 zu folgen. In der Vorweihnachtszeit veröffentlichte er, der sich damals noch Theophilus Knesebeck nannte, einen Tweet über Bügelwasser, den ich derart lustig fand, dass ich mir seinen gesamten Twitterfeed durchzulesen begann. Es waren damals bereits mehr als 11.000 Texte à 140 Anschläge. Einige, sehr viele davon, waren so gut, so seltsam erdacht, dass ich Anne und Ingo bat, @dickebuerste53 als Autor auf waahr.de veröffentlichen zu dürfen. Mittlerweile nannte er sich Justissimo, dann später später noch einmal anders, aber das änderte nichts an der Qualität der Texte von @dickebuerste53. Es ist hier ein Autor zu entdecken, der  – Methode Matthew Barney – die Zeichenbeschränkung des angeblichen Kurznachrichtendienstes Twitter entdeckt, adaptiert und zu einer Kunstform entwickelt hat.

Ich habe einige Tage meine Gedanken vor sich hin dieseln lassen dürfen. Ich habe oft und sehr viel gelacht. Manchmal auch schon beim bloßen Gedanken daran, gleich wieder an meine Arbeit gehen zu dürfen. Das war eine sehr schöne Zeit, Tage wie ausgeblasene Eier sozusagen, aber noch schöner fand ich es dann, als Stefanie gestern mit dem Korrekturlesen fertig war und wir nun ab heute den entschlackten und polierten Twitterfeed von Justin Andre, so lautet der Klarname dieses Autoren, den Freunden der Literatur in einer leicht lesbaren Form zugänglich machen können. Ich bin mir recht sicher, dass ich nicht der einzige sein werde, der sich an seinem Text erfreuen können wird.