23.8.2019

Friederike weist auf einen alten Fernsehfilm hin, den ich mir auf Youtube anschauen könnte: gezeigt wird Walter Kempowski, wie er an einem Tag im Juni 1997 den ganzen Tag lang fernschaut. Dazu lagert er, kurioserweise mit einer Fliegenklatsche bewaffnet, auf einem Ledersofa, einer veritablen Couch, und mit der anderen Hand drückt er die Tasten seiner Fernbedienung. Er agiert als Video-Jockey, der durch kreatives Umschalten der, das wird im Interview erwähnt, 37 Fernsehkanäle, die im Haus Kreienhoop ankommen, einen Stream produziert. Das Aufzeichnungssystem besteht aus einem Stereomikrofon, das direkt vor dem Gerät aufgebaut wurde. Interessant ist das vorzeitliche Verfahren des Zeitstempelns: Alle Stunde tritt aus dem Nebenraum eine der Assistentinnen von Kempowski heran, beugt sich grusslos zu dem Mikrophon herunter und spricht die aktuelle Uhrzeit auf das Band. Diese Assistentinnen, vielleicht gab es auch männliche, in der Zeitung schrieb Patrick Bahners im Dezember dieses Jahres, es wären elf Assistenten mit dem Projekt «Bloomsday» beschäftigt worden, werden dann die Bänder abgetippt haben. Die editorische, beziehungsweise kompositorische Arbeit hatte Walter Kempowski, sauren Sprudel trinkend und aus einer Traufschale Bonbons schöpfend, ja längst mit dem von ihm so genannten zappen erledigt.

Bahners übrigens bezeichnet das auf diese Weise entstandene Buch als unlesbar. Ich habe den Eindruck, dass man, dass auch Bahners damals noch bildschirmfeindlicher gesinnt war als heute, wo er stündlich zum Twitterfon greift. Damals, im Winter 1997 schrieb er «Wer aber außer Frührentnern und Schriftstellern kann es sich leisten, den ganzen Tag in die Röhre zu gucken?»

Kempowski soll ja früh schon mit Computern experimentiert und gearbeitet haben. Das erste Gerät, das im Haus Kreienhoop zum Einsatz kam, war von Olivetti. Den grossen Durchbruch ins Glaszeitalter hat er leider nicht mehr erlebt. Wie auch Arno Schmidt nicht, dem es aus ähnlichen Gründen sehr gut gefallen hätte im Internet. In den Notizen zu «Alkor» schreibt Walter Kempowski im Jahr 1989 «Ach wie schade, daß man gedruckten Texten nicht Musik unterlegen kann. Die Sache mit der Schallplatte hinten drin, ist keine Lösung. Kommt mir die Idee, den Bändern auch Fotos beizugeben, Musik, Fotos und Filme. In Bücher hineingehen wie in einen Irrgarten.»

Zu hier und heute: Die Wespen kommen. Luftdruck: 1016 Hektopascal