24.10.

Vor dem Easy Rider trafen sich gestern noch einmal die Stammgäste. Unter dem Plexiglas des Bezahltellers war eine Fotografie eingelegt, die den Imbiß an einem Wintermorgen zeigte: die Luke hochgeklappt, der Boden ringsum weiß, die Bäume kahl. Damals, orangefarbene Zahlen eines Datums in den neunziger Jahren sind eingeblendet, war der Kiosk noch in Rot und Blau lackiert. Eine zweite, darunter liegende Aufnahme stammt aus dem zurückliegenden Sommer. Der Wirt mit einem in schwarz-rot-gold gestreiften Schaumgummihut auf, beide Hände in grotesken Handschuhen, anscheinend tanzend vor dem Kiosk; muss am frühen Abend aufgenommen worden sein, das Bild hat einen Blaustich, die Front des Kiosks leuchtet zitronengelb.

Der Wirt lässt den Sommer Revue passieren (und zwar Woche für Woche anhand seines Kassenbuches): insgesamt kein hervorragender Sommer, aber in der Bilanz doch solide. Ein Paar, beide mit Schal und Mütze, ständern unschlüssig vor der Luke herum, um schließlich zwei Magnum zu bestellen, »eins klassisch, eins mit Mandel«. Die Gefriertruhe ist beinahe ausgeräumt, was dem Wirt Gelegenheit gibt, eine seiner besseren Nummern aufzuführen: Von einem täuschend echten, unendlich lange verhallenden Schreckensschrei begleitet, stürzt er in die unendlichen Tiefe des Innenraums der eiskalten Truhe ab, findet aber im letzten Augenblick noch einen Halt an deren mit Eis verkrusteten Steilwänden und arbeitet sich scharrend und schnaufend ans Licht zurück. Die beiden Stieleise an den Verpackungsenden zwischen die Zähne geklemmt: voilá. Der Mann bedankt sich, legt Geld hin, verteilt das Eis und bestellt dann noch zwei stille Wasser zum Mitnehmen. Diese Bestellung sorgt nach dem Abgang des Paares natürlich für einigen Gesprächsstoff: Wozu das stille Wasser? Was ist das für eine Diät? Was läuft bei denen et cetera. Direkte Überleitung, thematisch, zum Wesen der Frau. Der Wirt, nun bis April mehr oder weniger mit Freizeit gesegnet, wie er findet (am Easy Rider steht in Türkis auf die gelben Bretter handgepinselt »Saisonimbiß seit 1960 — geöffnet bei Sonnenschein von April bis Oktober«), wird noch an demselben Abend an die Nordsee abreisen. Wohin dort genau, weiß er nicht. Bei der Erholungsreise handelt es sich um ein Geschenk seiner Frau. Ansonsten ging es nach dem Saisonende immer nach Thailand. Aber in diesem Jahr war ihr das wohl – politisch – zu heiß. Ausgerechnet nach dem Sommer, in dem ihm der Buddha gestohlen wurde! An dessen Stelle steht vor dem vierarmigen Leuchter seit kurzem das Modell einer Windmühle.

Aber ausgerechnet die Nordsee — der Wirt hadert mit seinem Schicksal. Den ganzen Sommer über hat er den Sonnenschein zwar sehen können, war aber in seiner Holzschachtel gefangen (der Wirt kennt Rob Brydon nicht). Dies Foto, das ihn mit den Handschuhen unter dem Schaumgummihut zeigt, ist in einer seiner seltenen Verschnaufpausen entstanden. Der Laserpointer, der an der oberen Innenkante der Luke montiert ist, streut abwechselnd rote, dann wieder grüne Punkte auf den Tresen. Der Wirt macht einen seiner ultraklassischen Witze. Die Querflöte hat übrigens auch noch niemand abgeholt.