24.2.2020

Nachmittäglicher Ausflug nach Kassel — wie lange schon war ich dort nicht mehr gewesen? Fünf Jahre Minimum (das Tagebuch schweigt davon). Im Fridericianum gab es eine Ausstellung von Forrest Bess, einem toten Maler, der mir unbekannt war. Grösstenteils charmante Gemälde, kleinformatig und selbst gerahmt mit groben Leisten (aus Treibholz? Der Verstorbene lebte in einer Bucht am Golf von Texas). Eins davon, mit dem Titel «The Door», in Weiss gerahmt mit Passepartout aus Holz, das mit derselben Ölfarbe angestrichen ward, hätte ich gerne mit nach Hause genommen.

Die sogenannte Aufbereitung der Gemälde durch das Museum fand ich allerdings ärgerlich, denn man hatte es für nötig befunden die Beschaffenheit der Künstlerseele gleichsam herauszupräparieren und sie in den Formen von Briefen und anderen Dokumenten, sowie einem Film von Ari Macopoulos auszubreiten (das Papier tatsächlich in Vitrinen, die inmitten der Ausstellungsräume aufgereiht standen). In diesem Begleitmaterial ging es hauptsächlich darum, warum der Künstler Bess gemalt haben wird, was er gemalt hat. Man kennt das: Van Gogh vermutlich schizophren, Moore musste seiner Mutter den Rücken massieren et cetera. Forrest Bess wiederum war wohl kryptosexuell, wurde als Pupertierender mit einem Bleirohr gezüchtigt, hat sich selbst versucht zum Hermaphroditen umzuoperieren, dies alles dazu noch im Texas der fünfziger Jahre. Mir hat die Vermittlung des interpretatorischen Zusatzwissens in Form eines begehbaren Katalogs seine Kunst nicht näher bringen können. Verleiden auch nicht, aber mir hätten die Bilder an sich genügt. Wahrscheinlicherweise gibt es aber diese nach dem Profanen bohrende Wissbegierigkeit von Museumsbesuchern. Man wird doch wohl wissen dürfen, warum ein Künstler Künstler ist.

In Kassel regnete es ansonsten ausdauernd und viel. So hatte ich diese Gegend auch in Erinnerung behalten. Wir waren dann in dem Café in der ersten Fußgängerzone Deutschlands, die, das wusste die Speisekarte, Ende der fünfziger Jahre Schauplatz war für den Spielfilm «Der letzte Fußgänger» (mit Heinz Ehrhardt). Ausser diesem Café aber, und einem Skate-Shop, stehen dort mittlerweile sämtliche Ladengeschäfte leer.