24.3.

Im sechsten Kapitel seines Liebesbuches Er Roud el âater ip’nezaha el khater, zu Deutsch: Dem Duftenden Garten zur Erholung der Seele, erklärt Scheich Nefzaui die Bedeutung des Küssens und gibt zugleich technische Hinweise »Über Dinge, die der Liebe günstig sind«. Das Buch ist aus dem 16. Jahrhundert überliefert. Was er zum Unterschied zwischen Frauen und Männern, zur »Bekämpfung von Achselgeruch«, aber eben auch insbesondere über das Küssen schreibt, würde man heute nicht mehr so schreiben. Was schade ist. Weil es die Fantasie anregte, weil es einen nachdenklich machen kann sogar, über vielerlei Dinge und Sachverhalte übrigens, nicht ausschließlich übers Geküsstwerden und Küssen, sondern beinahe schon über das ganze eigene Sein, wenn er beispielsweise etwas so Schönes schreibt:

»Ohne Kuß gibt es kein Verfahren in der Liebe, das einen wirklichen Genuß verschafft, und was die Verfahren anlangt, bei denen es nicht möglich ist, sich während der Vereinigung zu küssen, so ist kein wirklicher Genuß darin zu finden, in Anbetracht dessen, daß der Kuß eines der stärksten Liebesreizmittel für den Mann wie für die Frau ist.

Ich dichtete folgende Verse:

Die schmachtenden Blicke
Setzen eine Seele mit einer anderen in Verbindung,
Und die zärtlichen Küsse
Dienen als Vermittler zwischen der gegenseitigen Liebe

Man behauptet, daß der Kuß einen wesentlichen Teil der Vereinigung bildet. Der beste Kuß ist der auf die feuchten Lippen gedrückte, mit einem Saugen an Lippen und Zunge. Diese kleine List bewirkt beim Mann ein Erbeben, das sein ganzes Sein durchläuft und sich durch heftigeres Erschauern kundgibt, als die durch Wein hervorgerufene Trunkenheit.

Ein Dichter hat gesungen:

Als ich sie küsste, trank ich an ihrem Munde
Wie das reich aufgezäumte Kamel an dem Wasserloch trinkt.
Ihre Umklammerung und ihres Mundes Frische
Verleihen mir ein tödliches Liebessehnen.«

So weit so sehr gut. Aber jetzt wird es umwerfend, ich wollte sofort Arabisch lernen:

»Der Kuß soll wohlklingend sein. Sein leichtes und lang anhaltendes Geräusch entsteht zwischen der durch den Speichel schlüpfrig gewordenen Zunge und dem Rand des Gaumens. Es entsteht durch die Bewegung der Zunge im Innern des Mundes und gleichzeitig durch die Verschiebung des Speichels, die das Saugen hervorruft.

Der auf die äußeren Lippen gegebene Kuß, der mit einem lauten Geräusch verknüpft ist, das demjenigen gleicht, mit dem man die Katzen ruft, bereitet keinen Genuß. Er ereignet sich nur, um Kinder und die Hand zu küssen.«

(Übersetzt von Jan-Pieter Hooft)