24.5.

Mein Bruder war bis ins Erwachsenenalter hinein mit Legasthenie geschlagen. Deshalb sollte ich ihm, da war er so sechs oder acht Jahre alt, helfen, die Poesiealben auszufüllen. Denn trotz seiner Rechtschreibschwäche war er bei seinen Klassenkameradinnen sehr beliebt und brachte in dieser Zeit mehrmals im Monat einen kleinen Stapel dieser mit Liebe gefüllten Büchlein nach Hause (wofür ich ihn extrem beneidete).

Um die Einträge in seinem Sinne verfassen zu können, machte ich mit ihm kleine Interviews, während er, der Grundschüler dabei oft noch heimlich mit Legosteinen an seinen unzerstörbaren Fahrzeugen feilte, denn wir hatten da so ein Spiel seit Jahren, bei dem man möglichst blockhafte Vehikel aus bombenfest ineinander gefügten Legomauern mit Rädern unten dran ineinanderknallen ließ, und wer die wenigsten abgefallenen Steine zu beklagen hatte, wurde zum Gewinner bestimmt.

»Was ist dein Berufswunsch«, fragte ich bei einer solchen Gelegenheit, denn es hatten sich in der Poesiealbenszene mittlerweile die standardisierten Fragebogenseiten etabliert.

Und er, gerade dabei eine vorschnell montierte Parabolschale mit aufgesetzter Laserlafette mithilfe seiner Vorderzähne vom Dach seines rasenden Quaders abzwickend: »Rentner.«

Lieblingsessen: »Schnitzel mit P. frites«.