24.8.2019

Wobei Kempowski ja vor allem Ferngeschaut haben will, um «auf andere Gedanken zu kommen». Und um das noch zu forcieren, hat er wohl gezappt .Vermutlich funktioniert aus diesem Grund das sogenannte Digital storytelling nicht, zumindestens bei mir nicht; das war doch kurz mal die ganz grosse Hoffnung im Druckgeschäft nach der CD-ROM: dass man mit Stücken, in denen sowohl gescrollt und gelesen, geklickt und abgespielt werden konnte (Audio- und Videoformate), Leser hält und Werbekunden gewinnt. Mich bringt der Wechsel des Mediums innerhalb einer Erzählung sofort durcheinander, oder wie es im heimatlichen Lingo heisst: «drauss»—jedenfalls auf andere Gedanken, als sie die Redaktion gerne provoziert hätte.

Sasha Frere Jones hat seinen Newsletter ja häufig so aufgebaut, dass sein Text unterbrochen wird von Videobeispielen. Ich schaffe das kaum bis zum Ende, es erschöpft mich, egal wie gut er schreibt. Seine Texte früher im New Yorker  habe ich immer bis zum Ende gelesen. Nur neulich, da hatte er mich am Haken, da ging es um seine Kanonisierung des Liedes «Jump» von Van Halen, das ich, wie wahrscheinlich viele, als gitarrenlastiges Lied in Erinnerung behalten habe. Ist es aber gar nicht, wie SFJ anhand eines frühen Live-Videos beweist, bei dem Eddie Van Halen, der Jahrhundertgitarrist, angestrahlt mit Gitarre über den Rücken gehängt, hinter einem Synthesizer zu sehen ist. Denn Jump ist synthesizerlastig. Und ausserdem, so fing bei SFJ das Erinnern an, wohl tatsächlich von einem Stück von Prince beeinflusst. Am Schluss seiner Ausführungen hatte der Newsletter dann kommentarlos den Film, der Tom Petty und Prince bei einem grösseren Anlass zeigt, auf dem sie «While My Guitar Gently Weeps» aufführen. Und man schaut sich das fasziniert an, denkt aber unweigerlich Fentanyl.