26.2.2019

Ein Abendessen, an das ich noch immer ungern zurückdenke fand statt zu Ehren eines Bauunternehmers aus London; es waren noch andere dabei, aber man konzentriert sich doch immer auf den Ehrengast—in dem Falle war das der Stimmung abträglich. Denn er kramte in der dort in jenem Lokal kurzen Speisekarte ewig herum, man hätte schon vermuten können, er sei vielleicht magenkrank, bis er, auf Nachfrage der Gastgeberin vor sich hinbrummelte, dass er hier, als Londoner, keinen rechten Appetit entwickeln könnte, weil er von daheim her so viel besseres gewohnt sei.

Das ist wahrscheinlich nur ein Baustein gewesen für meine Mauer aus Ablehnung gegen die Briten (ich kenne freilich welche, die ich sehr gerne mochte und mag.) Was ohnehin merkwürdig ist, weil ich ja die Musik von dort sehr gerne höre, aber vielleicht lebe ich nach einer pervertierten Erziehungsmaßregel aus dem Reich der sogenannten Insulaner: »Britons should be heard, but not seen.«

Oder so ähnlich. Machte mich dementsprechend auf ins Reich der Mitte, wo mir aus der Alten Schönhauser Strasse die vollendete Reparatur meiner Espressomaschine versprochen ward. Schaute, auf dem Weg dorthin (nach Mitte), bei Andreas vorbei, den ich, das fand er ebenso: ewig schon nicht mehr gesehen hatte. Seine Sonderausgabe »Von Hundert« zum Thema Immobilien ist extrem gut geworden. Es ist ja mittlerweile das bestimmende Gesprächsthema in Berlin—wer hätte das einst gedacht?, beinahe so öd ist es hier schon schon wie in London, gesellschaftlich, und der Streß mit den Immobilien ist wohl auch der Grund, weshalb man sich nur wenig noch über die facts of life unterhält: namentlich Wetter, Tiere und Mundungen. Weswegen man doch eigentlich mal hierher gezogen war, aber.

Vermutlich fände es der Bauunternehmer heute noch immer öde hier in Berlin, kulinarisch betrachtet. Aus meiner Hasenperspektive aber hat sich einiges, sogar ziemlich sehr einiges, getan. Erschöpft vom Schleppen der Maschine kehrte ich kurz vor meiner Haustüre in einem von außen her total unauffälligen Imbiß ein, dessen lachhafter Name am Sonntag erst Friederike aufgefallen war. Das sind wohl Chinesen, aber auf Nudeln spezialisiert. Die Nudeln werden jeweils frisch produziert, weshalb der Gastraum durchgerüttelt wird vom Eiern der motorbetriebenen Maschine. Serviert wird in blechernen Schüsseln, die Radkappen gewesen sein könnten. Raffiniert schmeckt das nicht, aber geil. Die mir in dem (schmucklos wäre noch geprahlt) Gastraum am Tisch gegenüberschlürfende Frau beschwerte sich zwar auf, vermutlich chinesisch, bei der Kellnerin und machte dabei Gesten, die eine mangelnde Elastizität ihrer Nudeln verdeutlichen sollten. Oder ein Übermaß an Elastizität—vollends entziffern konnte ich diese Geste jedenfalls nicht. 

Die Kellnerin sportete Wandersocken in Filzpantoffeln, sie schlurfte grußlos ihrer Wege. Es gibt noch so viel zu munden. Und im Gegensatz zu den Wohnungen: Andauernd wird es immer besser und mehr.