2.8.

Abends blätterte ich im Vorabzug des Bildbands Xerophile, den der Californische Verlag Hat & Beard nun bald herausbringen würde. Es ist ein Prachtband für die Freunde von Kakteen geworden, wie es ihn bislang noch nicht gegeben hat. Jedenfalls ist mir nichts auch nur annähernd Vergleichbares bekannt. Da ich die Bilder auf dem iPad betrachtete und dabei zudem noch vor einem sagenhaft lohfarbenem Sonnenuntergang am offenstehenden Fenster saß, bekamen diese leuchtenden Bilder von den teils bärtigen, teils gurkenhaft über Geröllfeldern thronenden Gesellen einen zusätzlichen Reiz, sodass ich beinahe schon damit angefangen hätte, die Bilder eines nach dem anderen zu beschreiben, um diese Wirkung auf mich, zu dieser Stunde, festzuhalten.

Doch traf dann eine E-Mail ein von Iskender Yediler, was mich verblüffte, denn zum letzten Mal hatte ich von ihm vor etwa zwanzig Jahren gehört. Damals hatte ich noch eine E-Mail-Adresse bei Compuserve, die aus einer langen Folge von Zahlen bestand, also ungefähr wie eine IBAN mittlerweile. Dazwischen, also zwischen Compuserve und IBAN, hatten wir voneinander nichts mehr gehört. Vergessen hatte ich ihn aber nie. Was auch daran gelegen haben wird, dass wir uns in Bangkok kennengelernt hatten, und damals dort zur Regenzeit, weswegen spektakuläre und schwer zu vergessende Momentaufnahmen sich eingebrannt hatten in mein Gedächtnis (also beispielsweise wie mir durch eine wadentief mit Regenwasser gefüllte Seitengasse die Ratten entgegen geschwommen kamen mit senkrecht in die vom Monsun erfüllte Luft gestreckten Schwänzen, um damit wie mit einem Querruder zu navigieren). Gut, nun würden wir uns also wiedersehen, denn wie so viele andere lebt Yediler, der damals auch vor allem deshalb viel in Bangkok war, weil er ja aufblasbare Skulpturen macht, und die sich dort in Thailand unkomplizierter herstellen ließen als bei uns, jetzt auch in Berlin – regnen tut es hier schließlich auch, und deswegen entschloss ich mich, nach dem Beantworten seiner E-Mail auch dazu, den ungewöhnlich trocken gebliebenen Augustabend noch weiter auszukosten.

Im Nachbarsgarten war, wie an so vielen anderen Abenden auch, ein geselliger Abend anberaumt. Dieses Mal allerdings ohne Discjockey, was ich sozusagen begrüßte (neulich, als es extrem regnete, feierte eine zusammengeballte Gemeinde dort in dem Notzelt unter anderem das Horrorstück Africa von Toto, das ja, im Gegensatz zu anderem Vintagepop wie Year Of The Cat, noch nie gut war, und es dementsprechend auch niemals werden wird), stattdessen lernte ich dort auf der lauschigen Terrasse ein reizendes Ehepaar aus Baden-Württemberg kennen, die sich für ihren Urlaub dort im Literarischen Colloquium eingemietet hatten. War mir gar nicht bekannt, dass man dort als Nichtstipendiat auch wohnen darf. Die Urlauberin sprach mit der mir vertrauten, weil für Schwaben charakteristischen Zurückhaltung, von ihrem Privileg: »Wir sind affin.« Womit eine gemeinsame, in ihrer Ehe kultivierte Hingabe an die Literatur gemeint war. Der weitere Abend verlief dementsprechend, als ich in der von einem veritablen Hofstaat umgebenen Gestalt, die dort hinter einem mächtigen Glas präsidierte, den legendären Jörg Sundermeier erkannte.