28.2.

In der aktuellen Ausgabe des New Yorker paddelt in einem der Cartoons ein Alligator einem Artgenossen entgegen und trägt dabei eine menschliche Leiche zwischen den Kiefern, die wiederum einen Strauß Rosen umklammert hält*. Der andere Alligator daraufhin: »You’re such a romantic!«

(* Wie Freunde der Serie Twin Peaks wissen, und von dorther aus dem Munde des so angenehm unorthodox denkenden wie handelnden Pathologen Albert Rosenfield, ergreift »the rigor mortis the body from head to toe, but it’ll leave the body from toe to head«. Ergo ist diese Leiche entweder schlachtfrisch oder bereits ziemlich gereift, was wiederum die romantische Annahme des beschenkten Alligators schon etwas in Zweifel ziehen kann, aber, na gut: Haben die etwa und überhaupt Geruchssinn, beziehungsweise wo liegen da, unter Alligatoren, die Präferenzen; was empfinden Alligatoren als romantisch, hinsichtlich von animierend wirkenden Gerüchen? Oder wie Geza Schoen es mal total richtig und fachlich kompetent auf jenen Punkt hin formulierte, um den es mir im Folgenden gehen wird: »Aus der Sicht eines Parfümeurs unverständlicherweise sprühen sich Menschen noch immer mit Blumendüften ein, dabei wollen sie ja gar keine Bienen anlocken, sondern andere Menschen.«)

Ist das Liebesgefühl aber erst einmal entstanden, sind ja letztlich sogar wir Menschen bereit, die abstrusesten Dinge nicht nur gut zu finden, gar zu tun oder zu vermissen. Das Vermissen selbst, jener etwas schwer zu definierende (#Bagel-)Zustand, an dem ja schon Gerhard Nebel gescheitert ist, gewinnt dann an Bedeutung. Gerhard Nebel, ein mittlerweile in Vergessenheit geratener Dichter des Pathos, von dem sein Studienkollege Carl Schmitt etwas hämisch behauptete: »Tja, der Herr Nebel, der ruft ja schon Poseidon an, wenn er einen Hering auf seinem Teller vorfindet«. Nun gut, eben dieser, ein Nachbar von und ein ebenfalls begeisterter Spaziergänger wie Ernst Jünger, hat immerhin eine unsterblich gewordene Überschrift formulieren können für einen seiner Aufsätze, sie lautet Schmerz des Vermissens.

Was tun? Im Folgenden werde ich in keiner als nach Wirksamkeit gestaffelt zu verstehenden Reihenfolge eine Liste von Maßnahmen untereinander reihen, die sich zumindest als eine in palliativer Absicht auszuprobierende empfehlen will. Albert Rosenfield selbst hält, übrigens, nur wenige Folgen später einen angesichts der abschreckenden Manieren seiner Figur verblüffend schönen Kurzmonolog, dessen Zitat lautet wie folgt: »While I will admit to a certain cynicism, the fact is that I am a naysayer and hatchet man in the fight against violence. I pride myself in taking a punch and I’ll gladly take another because I choose to live my life in the company of Gandhi and King. My concerns are global. I reject absolutely: revenge, aggression and retaliation. The foundation of such a method… is love.«

Nun aber unverzüglich zur Liste an Maßnahmen, die möglicherweise Abhilfe leisten können, so man denn jemanden schmerzlich, also von Herzen vermisst:

I Wie lange geht das denn schon - mehr als sechs Stunden? Komisch, oder? Den Anruf ihrer Mutter zum Beispiel vermissen Sie dann doch wohl noch nicht. Woran also liegt es? Darüber nachdenken. Und falls es nicht lange genug dauern sollte: noch etwas gründlicher, bitte.

II Anrufen. Falls das nicht möglich sein sollte - weil die von Ihnen schmerzlich vermisste Person wahlweise anderweitig beschäftigt sein sollte, außerhalb der Reichweite sich aufhalten dürfte, Sie vereinbart haben sollten, auf gar keinen Fall zu telefonieren oder aber das Telefon abgeschaltet ist et cetera: dann halt nicht.

III Etwas Schönes backen. Dauert lange, man hat beinahe nie sämtliche Zutaten im sogenannten Haus und selbst wenn, dann fehlt eben die Waage. Und selbst wenn sie eine solche Ihr Eigen nennen dürfen: Nirgendwo sonst geht so viel schief wie beim Backen. Das wird Sie in Atem halten. Und Ablenkungen aller Art sind genau das, wonach es Ihrer dürstenden Seele verlangt.

IV FIFA spielen auf dem iPad. Ich weiß, Fußball ist Dreck. Aber dieses 3D-Spiel ist derart kompliziert, gleichzeitig jubeln alle die ganze Zeit über aus allen vier Lautsprechern. Selbst wer sich wie ein Trottel anstellt, fühlt sich dabei noch wie ein King.

V Aufräumen. Geht immer. Sozusagen ein Klassiker. Aber wenigstens einer, der funktioniert.

VI SMS abschreiben. Durchgelesen haben Sie die ja bereits mehrfach. Jetzt aber handschriftlich auf ein Medium ihrer Wahl übertragen - Notizbuch, Bütten, Papyrusrolle oder eine gekachelte Wand in ihrer Stammkneipe. Ihrem kreativen Furor sind hierbei keine Grenzen gesetzt. #Festhalten.

VII Körperpflege und sich etwas Superschönes anziehen für das Vermissen. Sie dürfen jetzt nicht desillusionieren und annehmen, dass die vermisste Person keinesfalls und wie von Ihnen so innig gewünscht, nämlich blitzartig vor Ihnen auftauchen wird. Von daher: be prepared! Bekanntlich wird schon in der Bibel gefordert, dass die persönliche Traurigkeit eben nicht schlampig oder gar wurschtegal zu Markte getragen werden sollte.

VIII Ein Gedicht verfassen. Das scheint schwer, anfänglich wird das auch so sein. Wer kann schon ausdrücken, was er fühlt. Andernfalls wirkten diese Gefühle doch auch nicht so derart bedrohlich.

IX Gummibären. Zur Not tut es auch Wackelpudding. Und diese Filme. Interessanterweise nutzen die sich ja nie ab.

X Vor die Tür gehen. Beinahe allen anderen geht es noch viel schlechter als Ihnen.