28.6.

Durch die Überhäufung mit Kohlenhydraten, Industriezucker und Protein hatte ich leider auch das Geburtstagsgeschenk verschlafen, das ich mir selbst schenken wollte. Ich lag noch, als ich durch die geöffneten Fenster den Pfiff zur Abfahrt der MS Heiterkeit vernahm – jenem Signal zum Verstreichen der letzten Chance in diesem Jahr 2016 noch die neunstündige Fahrt über »die vielfältige Seenlandschaft Brandenburgs« antreten zu dürfen. Das Schiff, eben jenes verheißungsvoll auf Heiterkeit getaufte, macht diese Tour nämlich nur zweimal im Jahr.

Ich fühlte mich trotzdem im Zustand der Gnade und grämte mich nicht. Und tatsächlich: Nachdem ich mir nach alter Sitte zur Strafe einen Vormittag lang des Aufräumens und Sortierens und Abheftens auferlegt hatte, genehmigte ich mir nach 14 Uhr den Spaziergang zum Restaurant Seehaase, wo ich an der kleinen Marina so gerne sitze. Der Himmel zeigte sich weit, obwohl von vielen Wolken bedeckt, aber die eben in interessanten Formen, und an den Kanten lösten sich – dies beobachtete ich durch mein Fernrohr in achtfacher Vergrößerung – wie scheinbar durch die Sonnenhitze abgeschmolzen, die kuriosesten fraktalen Formen ab.

Das Instrument absetzend fiel mein Blick auf die im Becken zu meinen Füßen versammelten Tretboote. Und als eines davon losgelöst wurde, fragte ich Tim, der hier aufgewachsen ist und in seiner gesamten Abercrombie-&-Fitchhaftigkeit zu einem ultimativen Verführer gereift, gebräunter noch als ich!, für wieviel er mir denn eines dieser Boote verkaufen würde. Der Preis war bestimmt nicht überzogen, blieb dennoch unerschwinglich. Ein Tretboot kostet demnach gebraucht noch immer 1500. Ich hatte aufgrund der Spielzeughaftigkeit freilich an einen weitaus niedrigeren Preis geglaubt (so um die 300 max).

»Aber ich habe was für dich, das dir gefallen könnte«, schob Tim nach, um mir daraufhin eine wahre Beauty zu zeigen: klein, Fiberglas, mit zwei Bänken aus dunklem Holz, Außenborder von Yamaha, im exakt richtigen Lodengrün. Und das für 800.

Auf dem Heimweg ging mir das Boot nicht mehr aus dem Sinn: Bestünde darin nicht erst die Eröffnung der Welt, wenn ich, morgens zum Beispiel, kurz mal nach der Küste der Pfaueninsel fahren könnte. Vor allem im Herbst, wenn graue Nebel würden wallen, stellte ich mir das derart romantisch und nahrhaft für meine Seele vor. Ich träumte bereits von den Nachtfahrten, die mir damit möglich würden. Ich träumte von einem neuen Glück. Und es ist ja so einfach, wenn man erst erwachsen ist: Man darf essen was man will und wann man das will; man darf so lange im Bett bleiben wie man will, ohne dass einen jemanden kommentiert; und man darf sich kaufen (und aber auch sausenlassen), was man will.