30.3.2020

Abends zum ersten Mal ins sogenannte Webinar, gefiel mir gar nicht so schlecht wie befürchtet. Wie im Theater kann man sich auf der übrigen Fläche des Mosaiks umschauen, wenn einen die aktive Rede nicht ergreift. Trotzdem Unbehagen vor dem Beobachtetwerden beim Wegschauen oder Gähnen (Erinnerungen aus der Erfahrung mit Video-Calls). Der Rechtswissenschaftler führte gerade seine Überlegungen aus hinsichtlich einem Recht des Staates, die körperliche Verfassung seiner Bürger zu überwachen (er hat dazu kein Recht), da öffnete sich im Hintergrund eine Tür inmitten seiner Bücherwand und ein kleines Mädchen, vielleicht fünf Jahre alt oder vier betrat die Szenerie. Es war als Krankenschwester verkleidet. Mit weisser Haube, darauf das Rote Kreuz. Zunächst von seinem Vater, dem Rechtswissenschaftler unbemerkt, verharrte es im Hintergrund, von dort aus in die selbe Kamera schauend, wie auch sein Vater; freilich anderen Inhalt teilend. Der Vater wird aus den anderen Kästchen des Mosaiks auf das Geschehene in seinem Hintergrund aufmerksam gemacht, schaut sich um und gerät, seiner verkleideten Tochter ansichtig werdend, ganz kurz aus dem Konzept. Vom unteren Bildschirmrand her steigen daraufhin traubenweise bunte Herzen auf und werden über das Mosaik geweht. Eine Sternstunde der Semiotik.

Gestern nachmittag Spaziergang mit Friederike durch die unattraktiven Teile der Stadt, um so wenig Menschen wie möglich zu begegnen. Auf dem Mittelstreifen der Frankenallee stand ein junger Mann, beide Hände in schwarzen Latexhandschuhen. Sonnenblumenkerne aus der Tüte knuspernd. Die Schalen spuckte er vor sich hin.