30.5.2019

Es gibt dieses Gedicht von Wyston H. Auden, Christian Kracht zitiert daraus die Szene, in der ein Hase als glücklich beschrieben wird, weil er die Gedanken des erwachenden Jägers nicht kennt.

Und es ist überflüssig geworden, überhaupt noch ein einziges Wort zu verlieren über eine Bahnreise durch Deutschland. So war es auch gestern wieder genau so. Bis auf diese, mir als wesentlich eingeleuchtete Kleinigkeit, da der sogenannte Zugchef beim Versuch, während eines unabsehbar sich in die Länge ziehenden Aufenthalts vor Spandau, den zentralen Wasseranschluss für das Bordrestaurant zu öffnen, den sich beklagenden Bordrestaurantgästen entgegen—tja: leider schrie: «Das ist die Schuld von diesem Kapitalismus! Früher gab es hier noch Bordmechaniker, aber wir werden kaputt gemacht.»

Darauf ging freilich niemand ein. Wohl auch, weil der den Zugchef verkörpernde auf uns so gewirkt hatte und wirkte, als hätte er zuviele Filme mit oder über Hape Kerkeling geschaut. Es war aber auch nicht so, dass dieser Zugchef sich daraufhin für seine Entgleisung ; ) hätte entschuldigen wollen. Im Gegenteil: Ohne sich die Epauletten abgerissen zu haben, ging er kurz darauf umher, um im Auftrag seines Auftraggebers die Fahrscheine zu kontrollieren. 

Mittlerweile war es in dem Zug ziemlich warm geworden. Erste machten sich frei. Ich blätterte im Bahnmagazin. Es handelte sich um die Ausgabe für die Europawahl. Der Fortsetzungsroman stammte aus der Feder eines Tommy Jaud. Darin beschreibt er die Flugreise mit seiner Mutter, die gerade erst Witwe geworden ist. Interessant waren für mich eher die Achtelanzeigen: Italienische Wunderschuhe, mit denen selbst der Vorstandsvorsitzende der Union Europäischer Zeitschriften- und Zeitungsverleger noch sieben Zentimeter grösser erscheinen könnte; oder eine ganze Seite des längst in Vergessenheit geratenen Buchversands Rhenania: Dort wurde angepriesen der Sammelband «Hitler‘s Sex».

Vielleicht passt der Springerverlag auch deshalb so gut zur Deutschen Bahn, weil beide von Deutschland gar nicht so viel mehr wollen. 

Draussen flog wie es heisst: die Landschaft vorbei. Und die Sonne schien. Singuläre Wolken standen, wie stets frisch gewaschen, vor dem eisigen Blau. Die Landschaft darunter schaute unbewohnt aus, wie unbeherrscht auch; so als dürften die Hasen noch träumen. 

But if my thought dreams could be seen—

Es war ein langer Weg nach Mitte. Jetzt sind wir da.