6.3.2019

Teile meines Körpers, die ich am vertrautesten empfinde, sind meine Handrücken: Ich beobachte sie unwillkürlich andauernd, während ich tippe. In Spiegel schaue ich vergleichsweise selten. Mein Gesicht kommt mir ewig bekannt vor. Selbst im Zusammenhang mit dem Spiegelbild zusammenhangslos. Als mir Sebastian ein paar alte Fotos aus den frühen neunziger Jahren et cetera geschickt hat, kam ich mir bekannt vor, könnte aber nicht beschreiben, was sich genau verändert hat an mir. Irgendwie schöner halt. War ich. Kompakter auch, einfacher, um das Gesicht auf einen Blick hin erfassen zu können (kann am Punctum liegen.) Und ursprünglich sollte ich Klavierspielen lernen, fand dann aber Freude an der Gitarre. Ist doch furchtbar, wenn die eine Hand weiß, was die andere macht.

Ich tippe mit den Zeigefingern. Und das auch nicht blind, ich verfolge alle ihrer Wege. Das iPad war für mich die große Erleichterung, weil es die von sich aus leuchtende Tastatur mit sich brachte. Zudem ist es an sich leicht, beinahe wasserdicht, man kann es überall einsetzen. Und die Lautlosigkeit der Tastenimpulse: dieser mir magische Effekt hat sich noch immer nicht abgenutzt—wie dort am Ort des Tippens mein Denken erscheint.

Diese Materialität des Handwerks ist mir einerseits nicht wichtig. Beim genaueren Hinschauen dann freilich doch. Gerade als ich in Blankenese eine Postkarte beschriftete, deren Karton bemerkenswert andersartig war, sodass meine Füllerspitze darauf bemerkenswert andersartig gleiten durfte—woraufhin meine Handschrift großzügiger zeigte, was ich geringfügig kleiner gedacht; und manchmal nehme ich einen Satz von neulich doch ernst, bloß weil er dort so-und-so-haftig auf dem Papier geschrieben steht. Beim Übertragen handschriftlicher Sätze in ein Dokument ergeben sich interessante Effekte. Wer bloß tippt, als Kleinverleger im Self-Publishing-Segment, nimmt von sich aus alles wichtig (weil es von vorneherein schon ausschaut, wie gedruckt.)

Meine Schreibmaschine hole ich im Vergleich zu früher nur noch sehr selten aus ihrem braunen Koffer. Wenn ich in Büros etwas schreibe, fällt den jüngeren Mitarbeitern trotzdem mein enormer Punch auf, ich lasse es halt klappern. Bei gepflegtem Dahingeklipper käme ich mir wie eine Fremdsprachenassistentin vor.

Einmal sagte mir eine Buchhalterin am Telephon, dass sie meine Rechnung deshalb vorrangig behandelt habe, weil ihr die meine, auf der Schreibmaschine erstellt, als besonders dringlich erschienen war. So von wegen Armut und Bedürftigkeit. Dafür habe ich sie (die Tippse, die tatsächlich Baby heißt.)

Manchmal fällt mir auf, dass ich blind weiß, wo welche Taste liegt (vor allem in der Schweiz, wenn ich einen fremden Computer verwenden soll und damit kaum zurecht komme.) Manchmal, wenn ich mich gut gelaunt fühle, setze ich das Leerzeichen mit der Kante des rechten Daumens. Synästhetischerweise erklingt dabei in mir ein »So!« (und ich muß an Jerry Lewis denken, an seine Zeilenendsglockenpantomime, die mich als Kind erheitert hatte.)

In dem ansonsten irritierend drögen Interview von Hans Ulrich Obrist mit Cyprien Galliard bei Vimeo gibt der ihm die schöne Antwort auf dessen erste Frage, womit das denn bloß alles angefangen habe bei ihm mit der Kunst: »It seemed to me like a shelter for all my activities.«