6.7.2019

Seitdem ich vor vielen Jahren im Zuge einer Reportage in das Laboratorium eines Aromenherstellers eingelassen ward, träume ich von einer alternativen Karriere als Limonadenerfinder. Die in Israel verkosteten Oasentrünke haben meine alte Leidenschaft wiederbelebt. Nachfolgend eine erste Verkostung von vier teils innovativen, teils klassischen Trünken aus dem Zentrum des Commonwealth, aus Afrika und Asien, die ich aus dem überwältigenden Sortiment des «Asiatischen Afro-Shop Katar», der wie gesagt von Sikhs betrieben wird, ausgewählt habe. Dort wurde gestern ein Tesla betankt, den sich die Betreiber wohl für eine Wochenendausfahrt gemietet hatten. Alle umringten das Gefährt und machten Videos.

1. Coco Loto Coconut Juice with Pineapple

Schaut herrlich aus! Der Abfüller «Exotic Food Co., Ltd» aus dem Küstenbadeort Chonburi im Süden Thailands hat das Etikett seines Trunkes wohlweislich mit Bildelementen von Sonnigkeit überdeterminiert: Blütenblätter, eine trinkfertig skalpierte Kokosnuss mit herauslugendem Halm, sowie eine im ganzen aufrecht stehend halbierte Ananas am Strunk—wer da nicht an Erfrischung glaubt, der war noch nie in exotischen Gefilden baden. Selbst die an Schwebteilchen reichen Küstengewässer in der Bucht vor Pattaya wurden detailgerecht nachgeahmt vermittels der reichlich in einem Glas voll Coco Loto herumtreibenden Kokosnussfasern. Oder sind es solche von der versprochenen Ananas? Es ist nicht herauszuschmecken. Der Trunk schmeckt enttäuschend fad, eigentlich bloss trübe (wenn das ein Geschmackserlebnis sein könnte). Innerhalb der thailändischen Geschmacksästhetik handelt es sich eindeutig um ein Texturgetränk. Allerdings habe ich selbst noch nie das Verlangen verspürt auf etwas Trübes. Wird auch in Zukunft nicht vorkommen. 

Geschmacksurteil: 0 von 6 Seifen

2. V-Fresh Drink with Rose Flavour and Basil Seed

Diese in Thailand abgefüllte Flüssigkeit erfüllt meine Vorstellung von einem Oasentrunk auf ideale Weise: sie erscheint milchig, zugleich leuchtend rosa im Glas. Ein Scheinparadoxon, das mit thailändischer Nahrungsmittelchemikerleistung wirklich gemacht werden konnte. Als Cherry on the top bildet sich gleich nach dem Einschenken eine appetitliche Schicht Sediment am Boden des Glases und starrt den Trinker an wie Kopf an Kopf dort lebende Wesen, wie Kaulquappen etwa, auch Froschlaich ist denkbar, aber es handelt sich um die versprochene Basilikumsaat, die dem Trunk in nicht geringer Menge beigemischt wurde. Warum, das sollte man nicht fragen wollen. Auch tut man als Liebhaber des idealen Oasentrunkes besser daran, ihn gottgleich anzubeten, aber niemals wirklich zu versuchen. Selbst eisgekühlt dominiert das Rosenblütenaroma noch lange Zeit nach einem winzigen Schluck. Bei dem Markennamen kann es sich bloss um einen Übersetzungsfehler handeln. Etwas weniger erfrischenderes als V-Fresh ist undenkbar. Selbst warmer Gin käme mir da mehr gelegen. Als Palate Cleanser hilft gegen das anschliessende Mundgefühl einzig der thailändische Hühnersalat Laab Gai. Womöglich liesse sich von dort aus die Entwicklungsgeschichte dieses Trunkes rückwärts erzählen.

Geschmacksurteil: 6 von 6 Seifen (Look, don‘t touch)

3. Vimto Sparkling Fruit

Erstaunlich, dass dieser Trunk angeblich schon seit dem Jahre 1908 auf dem Markt sein soll—jedenfalls steht das so auf der im zeitlosen Design gehaltenen Dose aus England, in der sich demnach auch eine Reinigungsflüssigkeit befinden könnte. Oder ein Raumduft. Und, jetzt ahnt man es als Leser: so schmeckt der Inhalt auch. Immer wieder nimmt man nach den ersten Schlucken die Dose zur Hand, um sich zu vergewissern: gibt es das—ein Sirup, der sprudeln kann? Auch kaum zu glauben, dass man ein solches Aroma mit ausschliesslich auf dem Planeten Erde geernteten Früchten erzeugen kann. Das aber, so will es die Legende von Vimto, das ursprünglich Vimtonic geheissen hatte, soll tatsächlich der Fall sein. Der Farbton der Flüssigkeit indes, ein durchdringendes Rot, das an Lambrusco erinnert (und auch vergleichbar schäumt) deutet vielleicht auf Beeren hin. Angeblich handelt es sich sogar um eine Mixtur aus Himbeeren, Brombeeren und schwarzen Johannisbeeren, sowie nicht näher spezifizierten Kräutern, was damit alles in allem schlicht als «Vimto-Aroma» ausgewiesen wird. Wer, wie ich, in seinem Leben schon eine liaison dangereuse hatte mit dem köstlichsten Likör der Welt, Chambord, sollte sich von Vimto möglichst fern halten, also im Anschluss auch Reisen in die Arabischen Emirate und nach Indien und in sonstige ehemalige Kronkolonien meiden, in denen Vimto auch morgen noch hauptsächlich vertrieben werden wird—die Brause schmeckt nämlich exakt so, wie ein gut gekühlter Drink mit viel Chambord und wird die überwunden geglaubte Leidenschaft wiederbeleben wollen. Leider.

Geschmacksurteil: 4 von 6 Seifen

4. Nkulenu‘s Palm Drink

Dieser Kandidat steht ausser Konkurrenz, da mir erst kurz vor der Verkostung auffiel, dass es sich dabei um einen (wenn auch schwach) alkoholisierten Oasentrunk handelt. Für ghanaesische Verhältnisse aber, und aus der dortigen Abfüllerei Nkulenu Industries Ltd in Madina stammt der Palmendrink, dürfte er mit den irgendwo auf dem hübsch gestalteten Etikett versteckt angegebenen 4,5% durchaus noch als Softdrink durchgehen. Die Vorderseite wiederum ist übersichtlich und durchaus ansprechend im Stile einer britischen Fernsehserie aus den frühen siebziger Jahren («Die Profis») gehalten: auf einem Schild in tannengrün verheissen die im Bogensatz plazierten Buchstaben «Premier Quality». Eine ungewöhnlich beschnittene Nahaufnahme eines Palmenstrunks wird von diesem Qualitätsversprechen eingerahmt. Darunter, mittlerweile hat der Farbton des Hintergrunds in ein souveränes Gold gewechselt, steht in einer klassisch anmutenden Funk-Platten-Schrift der irgendwie an einen Zauberer erinnernde Firmenname «Nklulenu». Für sämtliche weitere Bestandteile auf dem Vorderschild der ansonsten smaragdhellen Glasflasche, von Palm über Drink und Shake&Serve bis Ingredient: Palm Juice wurde ebenfalls eine eigene Schrifttype ausgewählt. In der extrem heterogenen Weise seiner Machart wirkt das ansprechend auf das europäische Auge. Der europäische Gaumen wiederum reagiert in einem beinahe umgedrehten Sinne auf die Einförmigkeit des Geschmackserlebnis des Palmenmosts: Selbst gut gekühlt hat der vorschriftsmässig extrem gut durchgeschüttelte Trunk fernab von seiner Abfüllstätte doch zu viel von seinem autochthonen Charme verloren. Man sollte ihn wahrscheinlich ungekühlt, und dabei unter Palmen wandelnd direkt aus der Flasche schlürfen. Ganz ähnlich dürften übrigens die frisch in Frankfurt angelangten Ghanaesen urteilen, die sich bei Adolf Wagner in Sachsenhausen ihren ersten Bembel teilen.

Geschmacksurteil ausser Konkurrenz, da alkoholisch: 3 von 6 möglichen Seifen.