8.2.

Hildesheim. Der Modepark Röther dort (das cremefarben gestrichene Gebäude heißt wirklich so, und es hat kaum Fenster). Auf Hildesheim zu und von Hildesheim weg führt eine Allee über Land, ein paar hundert Meter dahinter verläuft noch eine, sodass sich in der Vorbeifahrt ein Fries ergibt aus ineinanderlaufenden Reihen von Bäumchenskeletten wie aus einer Laterna Magica an die Wand geworfen.

An welche Wand?

An irgendeine. An eine, die Dir lieb ist. An der Du dies Bild sehen willst.

Weiden werden ausgeputzt, Arbeiter tragen Leuchtkleidung, die Wurzelballen wurden freigelegt wie Zahnhälse (unwillkürlich zog ich Luft ein durch die Zähne, obwohl das ja dann besonders wehtut). Kurz vor Braunschweig standen vier Rehe auf einer durchweichten Wiese – drei schauten weg und eins schaute her, und allesamt machten sie ein erstauntes Gesicht, weil das bei dieser Tierart ja durch den gesamten Körper geht, das Erstarren der Mimik.

Die weißen Blumen!

Nur ein paar Minuten weiter schwingt sich am selben Himmel die Silhouette eines Raubvogels auf. Hinter ihm ist alles milchgrau, aber das sieht er nicht.

Der Zug bremst. Rechts ist es grünlich, links strohfarben, es ist ein außerplanmäßiger Halt. Wie unordentlich die Landschaft zu dieser Jahreszeit wirkt. Als sei es egal, weil sowieso niemand genau hinschaut. Und wie ich das denke, schaue ich weg.

Der Zug, also sein Lokführer, versucht nun, die vergangene Zeit wieder gutzumachen; sie einzuholen.

Es geht durch Kurven. Dem Gegenüber schwappt sein Weißbier erst links, dann kontrapunktisch rechts aus den Mundwinkeln (wie beim Zähneputzen). Ich tät‘ gern dazu gurgeln (tue es aber nicht).

Draußen die Pappeln wie Bürsten, die Wälder wie irgendwas; insbesondere die Birken sehen schäbig aus. Jetzt täte ein Fluss gut, zur Not auch ein See. Aber es kommt nichts.

Sad.

Bald führt die Landschaft links und rechts einen weißlichen Streifen mit. Offenbar wird es kälter. Dann kommt Berlin. Herbert, der Pharmavorstand vom Wasserhäuschen, konnte das, wie er betonte: »einzige Gedicht« von Franz Kafka rezitieren. Darin kamen unter anderem auch Spaziergänger vor, die nackt – also unbekleidet – im Kies unterwegs waren. Und ich hatte Herbert ermahnt, hatte gesagt: So etwas gibt es doch nicht – nackte Menschen, draußen.

Und Herbert, mit großen Augen: in Frankfurt schon.

Im Traum leuchtet jemand mit der Taschenlampe in Tütensuppen und zeigt mir das bunte Granulat.