8.3.

Was für ein Genuss es es gewesen sein muss, dieses Gespräch mit Karl-Heinz Bohrer abzutippen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass da auch nur ein Satz irgendwie anders gesagt wurde, als der dann gestern so im Feuilleton gedruckt stand (und eben nicht »Welch ein Genuss«, oder »abtippen zu dürfen«). Wie er, ohne ein obskures Wort zu verwenden, von der vergangenen Zeit erzählt: Allein, dass die Menschen, mit denen er im Frankfurt der späten sechziger Jahre verkehrte, dort in weißen, symmetrisch eingerichteten, in seiner Erinnerung wie Mathematikheftseiten karierten Wohnungen lebten, bevor sie sich in den späteren Jahren erst wieder zutrauten, die Altbauten zu besiedeln. Und dass es bei seinem Arbeitgeber zuvor in Hamburg einen Feuilletonchef gegeben hatte, der in der Mittagszeit mit Rotwein gurgelnd durch die Redaktionsräume lief – ich las das und sah vor der Scheibe auf dem Bürgersteig draußen einen Mann, der seelenruhig in einen städtischen Abfalleimer urinierte. Wohl auch, weil der in einer für seine Körpergröße angenehmen Höhe am Laternenpfahl angebracht war. Diese Zeit, von der Bohrer erzählt, hatte ich selbst nicht erlebt, aber nun war mir so. Als wäre zu der Zeit in den neunziger Jahren, als ich zum ersten Mal in eine Redaktion gedurft hatte, noch ein kleiner Rest von diesem Zauber übrig gewesen. War es denn überhaupt einer gewesen? Damals wohl nicht, aber in der Erinnerung. Nachmittags hatte mir Romuald Karmakar, den ich um ein Gespräch gebeten hatte, freundlich geschrieben. Er erinnert sich sogar noch an unser allererstes Treffen, es ist bestimmt schon zehn Jahre her oder neun und er schreibt, dass er noch heute einen Gedanken daraus immer wieder bei sich habe. Angeblich hatte ich gesagt, dass im Hinblick auf das Verständnis von künstlerischer Arbeit meist das Begreifen in die Zukunft projiziert würde, als seien wir gar nicht real im Hier und Jetzt. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich das zu ihm gesagt hatte.

Bald darauf fing es zu regnen an. Kalt und silbrig lappte das Wasser über den Rand der Markise und mir fiel ein, dass es ja die Einladung gab von Andreas, der die Jubiläumsausgabe der Von Hundert in der Bar Babette feiern wollte. Aber vom Savignyplatz bis an den Strausberger Platz, diese Reise kam mir nun wie nicht mehr zu bewältigen vor. Und das lag vielleicht am Regen.