8.5.

Das Wetter drückt sehr auf mein Gemüt. In der rostigen Feuerschale springt eine Blaumeise in der braunen Brühe herum, der Vogel badet, es regnet, also duscht er auch und immerhin ergibt sein blauer Federbusch mit dem Rostbraun eine aparte Farbharmonie. Auch weil es drumherum, trotz Regen, trotz Himmel, so appetitlich grün ist an den Zweigen und am Gebüsch.

Vermutlich war es ein Fehler, der Nachtigall durchs offene Fenster eine Aufnahme eines anderen Exemplars seiner Art vorzuspielen. Zwei Nächte lang war in der Folge gar nichts mehr von ihr zu hören, das waren die Morgende von Mittwoch und Donnerstag, als dichter Nebel quer auf dem See lag (von daher wohl »Bank«), ich konnte das gegenüberliegende Ufer nicht sehen. Am Abend, in einem türkischen Restaurant, das wie eine Grotte eingerichtet war mit Gipszapfen, die aus der Decke nach unten in den Raum hinein wuchsen und gewölbten Wänden – wir saßen dort wie in einem gemauerten Faß – erzählte mir Bernd von einer Gartenparty, auf der für die Gäste ein sogenanntes Erdschwein zubereitet worden war. Man nimmt dazu ein ganzes Schwein und füllt es mit Kartoffeln und Zwiebeln und reichlich Kräutern. Ganz wichtig ist, dass man dem Tier zuerst den Bauchraum mit Kochsalzlösung auswäscht, um Infektionen vorzubeugen, denn wenn es gefüllt und wieder zugenäht wurde, wird es in einer mehrere Meter tiefen Grube ins Erdreich gesenkt. Am Grund dieser Grube hat man zuvor ein Feuer aus Buchenscheiten abbrennen lassen. Danach wird die Glut mit Mauersteinen bedeckt, in ihnen wird die Hitze gespeichert. Darauf senkt man das Schwein. Es wird mit einem großen Blech abgedeckt und dann eingegraben, bis von der Grube nichts mehr zu sehen ist. Alle gehen zu Bett. Am nächsten Tag, wenn die Party beginnt, wird das Schwein exhumiert. Durch das stundenlange Garen unter den Erdschichten erhält sein Fleisch angeblich einen unvergleichlichen Geschmack.

Ich war etwas abgelenkt, weil zur gleichen Zeit am Nebentisch ein Geburtstag gefeiert wurde. Die Tafel dort wurde präsidiert von einem herrlichen Greis, der diesem längst verstorbenen Finanzgenie total ähnlich sah, der Name wollte mir leider nicht mehr einfallen, aber der Mann am Nebentisch trug ebenfalls ein Brillengestell mir gigantisch großen und nebenbei seine Augäpfel gigantisch vergrößert darstellenden, quadratisch gerahmten Gläsern. Und er sagte gar nichts, als die Kellner die Torte samt flackernden Kerzen heranbrachten und Happy Birthday von Stevie Wonder lief dann noch minutenlang.

Als ich nach Hause kam, war es schon Nacht, und es regnetete gerade mal nicht. Ich schaute an den Stämmen der Buchen nach oben, der Himmel schien blau und von weither hörte ich das Schluchzen der Nachtigall. Von meinem Schlafzimmer aus war die Melodie noch klarer zu verstehen. Der Vogel gibt ja Klänge von sich, die scheinen flüssig zu sein und dabei kristallklar, wie aus Wasser geblasen (wenn so etwas ginge). Er war wohl nur ein paar Bäume weiter, den Hang abwärts ans Ufer gezogen. Ich fragte mich, ob es die anderen Vögel, die ja alle schlafen, während dieser eine dann singt, eigentlich stört, wenn einer unter ihnen vom Schlage der Nachtigallen ist. Oder hören die Vögel nur jeweils den für sie bestimmte Gesang und nehmen die Lieder der anderen nicht wahr?

Heute Nacht jedenfalls, wo ich mehrfach aufwachte, weil sich ein Tiefdruckriegel oder -keil ankündigte und ich mich selbst zum Liegen zu schwach fühlte, fand ich heraus, dass es nur eine einzige Nachtstunde gibt, in der es still ist: von halb vier bis halb fünf. Dann schweigt die Nachtigall, es fahren auch nicht einmal mehr Autos, und kurz darauf erst fangen die Amseln zu singen an.

Unbedingt nachschauen, wie die Maurerforelle zubereitet wird.