9.1.2019

Restauration »Wendel« am Richard-Wagner-Platz: Hier kommt man normalerweise nie hin, hier will man—normalerweise—sofort um die Ecke wohnen; leben. Hier will man: sein. Der Koch, August-Sander-Gesicht, steht in seiner Uniform untätig vor einer silbrigen Wand. Über ihm die Esse aus punziertem Blech. Das Zeitmagazin kommt nächste Woche vorbei für ein Shooting.

Das ganze geht zurück auf eine Raststätte für Kutscher namens »Dellner’s Am Knie.« Der Turm des Rathauses, aus den allergröbsten, den ansonsten weggeworfenen oder einfach gleich dort, wo sie gewachsen waren, im Erdreich, gelassenen Gesteinsbrocken gefügt, er steht noch immer (so wie die Poster, sie hängen auch lange nach Cindys Auszug in ihrem Zimmer.) Er wird sogar angestrahlt, gelblich, im EG leuchten die Reklamen für »Augenoptik«, für »Tchibo« und für »Fascinating Family.« Und es glänzt die Otto-Suhr-Allee. Die Butzenfenster haben Männer mit Lutherkappen in Rot, die anscheinend von frühen Tablets ablesen.

Im Schaufenster stehen Flaschen im Vogelsand, die, noch aus Mauerzeiten stammend, beschriftet sind mit dem Slogan »Trinkt Berliner Bier.«
Kennt ja heute kaum jemand mehr, diese Zeiten, als die Eier hier im Westteil noch vorwiegend aus dem Ostteil der Stadt her geliefert worden waren.

Ein bunter Drachen hängt im Baume fest. Seine Fransen wirbeln müd herum. Ich staune. Unter anderem darüber, dass, wie ich dem Bildschirm entnehme, nur wenige Kilometer von diesem beinahe versunkenen Ort entlegen, an der neuesten Küchenphilosophie der low intervention gearbeitet wird. »Für Boris Lauser, Raw-Food-Chef, Culinary Artist und Buchautor war Leitungswasser schon immer ein wichtiges Thema.« Und im Wendel gibt‘s, allerdings braucht es der Nachfrage, Stampf mit Sauce und Kloß.