Den Ingenieuren der Seele ist nichts zu leicht

Am Sonntag erschien auf einem kleinen Platz im Feuilleton die Geschichte vom Tod des letzten Karolinasittichs im Zoo von Cincinatti. Cord Riechelmann erzählt vom Vogel namens Inca, dem letzten seiner Art, der an einem Donnerstag, oder aber an dem darauffolgenden Mittwoch, im Februar des Jahres 1918 für tot erklärt worden war. Bisschen wie im Anfangssatz des Fremden also von Albert Camus, die Faktenlage. Cord Riechelmann schreibt: »Die im Zoo mit ihren letzten Individuen ausgelöschten Arten machten es möglich, sich überhaupt vorzustellen, was Aussterben heißt und wie es vor sich geht. Ein Vorgang, der jetzt ganz profan beschrieben werden konnte: Ein letztes Tier seiner Art stirbt, und mit dem toten Körper ist die Form auf immer verschwunden und kehrt nie wieder. […] Damit war eine der bis heute schwierigsten Konsequenzen der Darwinschen Evolutionstheorie anschaulich geworden, nämlich dass der Prozess der Evolution irreversibel ist.«

Die Wiederbelebung ausgestorbener Figuren wie den Berliner Obstweibern, von denen E.T.A. Hoffmann seine Vettern schwärmen lässt, gelingt mir selbst in der Schnellen Quelle nicht mehr gut. Dort ist das dargestellte Leben als Berliner roh und ungehobelt, aber halt nicht mehr so wie einst beschrieben, als »mit dem Berliner Volk eine merkwürdige Veränderung vorgegangen ist. Mit einem Wort: das Volk hat an äusserer Sittlichkeit gewonnen; und wenn Du dich einmal an einem schönen Sommertage gleich nachmittags nach den Zelten bemühst und die Gesellschaften beobachtest, welche sich nach Moabit einschiffen lassen, so wirst Du selbst unter gemeinen Mägden und Tagelöhnern ein Streben nach einer gewissen Courtoisie bemerken, das ganz ergötzlich ist.«

Den Text über den Karolinasittich, der mit einer hübschen Lithografie von einem Pärchen dieser ausgestorbenen Art illustriert war, schneide ich aus dem Papier der Zeitung mit einer Schere. Ich habe mittlerweile eine ziemliche Sammlung von Scheren, alle Neuzugänge waren Geschenke meiner Mutter aus den Nachlässen. Jede Großmutter hinterließ mir mindestens eine Schere. Ich gebrauche sie viel, ich schneide viel aus. Vielleicht sollte ich mal an die Zeit schreiben. Was mein Leben lebenswert macht: Ausschneiden ausgestorbener Arten mit einer Schere meiner toten Großmutter. Oder halt selbst was verfassen für die Zeit, Abteilung Z, einen Essay mit dem Arbeitstitel Lob der Schere. Wer ausschneidet, hat mehr vom Lesen. Wie ich zuletzt den Aufsatz von Lorenz Jäger über das Jahr 1968 in Deutschland, als hier eine Große Koalition regierte, wie er im ersten Satz schreibt: »Von Technikern und Denkern des Politischen«. Schnipp schnapp.