Die Last der Jahre (Ich als Gespenst)

Den Zauberkasten mochte ich nicht, aber die Bedienungsanleitung habe ich viel gelesen. Dass man da etwas einstudieren sollte, Tricks, ich habe das nicht verstanden (was daran andere fasziniert haben soll). Magisch war für mich der Begriff der Servante, also dass man als Zauberer eine geheime Schublade sich einrichten sollte, um daraus etwas hervorzaubern zu können. Tatsächlich besaß ich einen weißen Hasen, es war ein Albino, aber als ich den Zauberkasten geschenkt gekommen hatte (als das Wünschen noch half) war der leider schon tot. Gestorben auf eine unzauberische Weise, die eventuell meinen Glauben an Zauberei an und für sich, ja, eigentlich zerstört haben dürfte. Es war nämlich so gewesen, dass dieser Hase, ein sogenanntes Männchen (das wird jetzt gleich wichtig) die Tapete meines Zimmers heruntergekratzt hat, um dann an diesen bloßgelegten Stellen empor zu pinkeln. Man frage besser nicht, warum, wie es bei Thomas Bernhard heißt. Daraufhin, also nach einigen dieser Wandanpinkelungen hasenseits wurde im Elternbeirat beschlossen, den Hasen auszusondern. Er bekam ein von meinem Vater liebevollst gezimmertes (auch hier schon, ganz früh: die Widersprüchlichkeit der erwachsenen Welt!) Freiluftgefängnis auf dem elterlichen Rasen zugewiesen, das ab und an auch planvoll versetzt wurde, sodass der Hase neue und nur ihm frisch erscheinende Grasnarben abnagen konnte. Wer, wie ich, auf dem Lande aufgewachsen ist, der wird sie wohl kennen, die allumfassende Nutzbarkeitsmachungslust der dort ansässigen Leute.

Der Hase aber, er wusste sich zu widersetzen. Eines Nachts (es war ein Abend, aber Kinder werden ja allzu früh schon zu Bette geschickt) weckten mich gellende Schreie auf. Ich schaute den Vater, wie er, im Hemde, das zudem wild gestreift war, und im Verbund mit dem männlichen Anteil der nachbarschaftlichen Bevölkerung in einem Graben, der zum Verlegen neuartiger Telefonleitungen direkt vor unseren Haustüren ausgehoben ward, herumsprang. Und zwar wild. Zwischenduch schon mal fuchtelnd. Das traf mich sehr, denn es ging dabei um den Hasen. Der nämlich hatte sich durchgegraben aus seinem Gatter und war in dem unsere Behausung umgebenden Graben zugange. Dort suchte er Freiheit.

Man konnte ihn einfangen. Im darauffolgenden Winter fand ich den Käfig dann eines Morgens von ihm leer. Eine läpperige Blutspur zeigte auf das Ende unseres Grundstücks, das meine Eltern ohne Zaun hin zum fernen Waldrand gestaltet hatten. Man hat mir dann eröffnet: das war ein Fuchs.