DIE SEGNUNGEN DER NUDEL

Daniel Martinez ist zurück. Wir begegneten uns zufällig. Und zufällig dort, vor dem kleinen Café, wo wir uns beim letzten Mal verabschiedet hatten, vor zwei Jahren, vor einem erst: ich weiß es nicht mehr. Er ist viel kleiner, als ich ihn Erinnerung behalten hatte. Viel zarter auch von seinem Wuchs. Er hat sich die Haare zu Stoppeln rasiert und hellblond eingefärbt. Seit seiner Abreise aus Berlin hat er es in Kalifornien nicht lange ausgehalten. Sein Land hat sich in etwa so verändert, wie er es mir damals, beim Morgenkaffee prophezeit hatte. Da lag die Zeitung vor uns auf dem Tisch mit der Nachricht, dass Donald Trump zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt ward.

Doch auch hier hatte sich ja einiges verändert während seiner Abwesenheit. Der Betreiber des Hotels hatte, ermüdet vom andauernden Protest der Antifa vor seinem Restaurant schließlich aufgegeben und seitdem gibt es dort ein politisch hasenreines Restaurant, die Trattoria Del Lago. Komplett mit weißen Gipsstatuen und einem kleinen Außenlautsprecher, der die klassischen Weisen auf den Vorplatz überträgt. Tja, und wenn the moon hits your eye like a big pizza pie, kann das halt bloß Liebe sein.

Bevor Daniel hierher zurück kehren konnte, hat er eine Zeit in Italien verbracht, wo die Rockefeller Foundation ein kleines Schloss auf einem Hügel besitzt, für das sie Arbeitsstipendien an amerikanische Künstler vergibt. Im Dorf leben außerdem noch dreißig Ureinwohner. Es ist dort ungefähr so wie hier, findet er, allerdings halt ohne die Nähe zu einer Stadt.

Rings um uns herum mühten die Leute sich ab, ihre Burger und Tarteletts zu verspeisen, ohne dabei von den zahlreichestens umherschwärmenden Wespen belästigt zu werden. Da gibt es mehrere selbst erfundene Strategien, die sämtlich zur Fruchtlosigkeit verdammt scheinen: die einen schlagen um sich, die anderen beugen sich zum Biss in die Kost unter die Tischplatte, einige rennen mit dem Burger in der Hand vor den Insekten davon und suchen ihr Heil im Genuss auf der Flucht. Ich erzählte Daniel von meinen Forschungen zum Ortolan-Ritual; und dass es für die Wespenphobiker auch eine gute Möglichkeit wäre, sich zum Essen im Freien gänzlich unter eine tischtuchdeckengroße Serviette zu begeben. Und wir lachten, als wäre es erst gestern gewesen.

Ein paar Wochen lang kann er nun hier verschnaufen auf seiner Flucht vor der Heimkehr ins Reich. Er überlegt aber wohl, sich hier niederzulassen. Deutschland sei ideal als Exil.