Elektronik kann doch kaum die Lösung für alles sein

Erheiternd einerseits, dann aber auch unfassbar traurig machend, abgrundtief, ist der Text von Tilman Spreckelsen im Feuilleton, in dem er die Quellenlage der Erzählung Tischlein deck’ dich erläutert; weil es das bald nicht mehr gibt. Weil Frechheit obsiegt. Schon jetzt, wenn ich »Okay Google« nach Tilman frage, erscheint Tillmann Prüfer. Derselbe Spreckelsen taucht bereits nicht mehr auf, wie Rainald Goetz, dabei Simon Strauß parodierend, einst lustig schrieb: »Nichts, das nicht schwönde«. Soll bitte mal auf meinem Grabsteine stehen. Gravierenderweise. Derweil schreibt er (Spreckelsen), er ergründet, worin die Motivation einer legendär gewordenen Ziege (aus einer Zeit, als das Wünschen noch geholfen hatte) bestanden haben dürfte. Illustriert, das heißt auch: ausgestattet, mit einer antiken Zeichnung, die zwei Frauengestalten beim Konsumieren von Schnupftabak abbildet. So long.

Wer aber ist Magnus Klaue, der in der vergangenen Woche so schön über Niklas Luhmann schrieb? Etwas versteckt, freilich. Ich ertappe mich beim Schreiben dabei, wie ich mir selbst beinahe schon Vorwürfe machte, weil ich den Text gelesen hatte, beziehungsweise: entdeckt – aus lauter Muße! Aber Gott sei dank funktioniert die protestantische Verfassung ja demnach, dass ich dann bloß rasch an das Abendmahl zu denken brauche, das uns am Silvesterabend in der Kirche der Paulusgemeinde zu Teil gemacht wurde und dann geht es schon wieder besser hinsichtlich Gewissen. Das Sacerdotale, Kirche sowieso ganz, ganz großartig. Muss bald wieder hin.

Klaue also beschreibt, eigentlich erzählt er es nach, denn in dem Text ging es ihm eigentlich um etwas ganz anderes, nämlich um die Todesursache Adornos. Das war für mich interessant, denn ich denke ja schon seit vielen Jahren, im Grunde seitdem ich es von Gerhard Merz persönlich erklärt bekommen hatte, darüber nach, ob denn Gerhard Merz recht behalten könnte mit seiner Behauptung, die er, dabei natürlich hinter seinem Schreibtisch sitzend, mir gegenüber ausgesprochen hatte, dass Theodor Adorno als Mensch an den nackten Titten gestorben war. Oder sei? Jedenfalls durch den Anblick derselben.

Magnus Klaue indes greift diese These auf, allerdings ohne Merz zu zitieren, um noch Folgendes hinzuzufügen: Es war Niklas Luhmann, Sohn eines Bierbrauers, der Theodor Adorno, der Sohn eines Weinhändlers war (aber nicht nur!) beraten sollte, im letzten Jahr vor seinem Tode. Damals, ob es dabei um nackte Titten ging, davon schweigt Klaue, saßen beide in einer Frankfurter Weinwirtschaft und Adorno schüttete Luhmann sein Herz aus, wie es heißt. Doch wäre Adorno nicht Adorno gewesen, wenn er sich dabei nicht auch noch etwas gedacht hätte. Angeblich nämlich, so Klaue, hatte er sich Luhmanns Rat vor allem auch deshalb erbeten, weil Luhmann sich doch hauptamtlich mit Verwaltungsangelegenheiten befasste. Und genau darum ging es ihm (Adorno): Die Frage lautete, wie es zu handhaben war, wenn man sich nebendraußen bei der Ehe mit einer Schauspielerin befassen wollte (ohne dass die schmollte).

Luhmann, wie gewohnt knallhart (oder wie Tom Kummer schriebe »knallzart«): »Gib ihr Geld«.

Wobei Magnus Klaue hier freilich den Begriff der Apanage wiedergibt. Glaube ich ihm aber nicht. Das sogenannte Ende vom Lied: Luhmann, der einst dort in Frankfurt eine Vertretungsprofessur ableistete für Adorno, der sich ein Sabbatical (sic!) genommen hatte, um sich der Schauspielerin widmen zu können, verfasste aus den zu dieser Gelegenheit abzuhaltenden Vorlesungen den Band Liebe als Passion. Adorno apanniert, wird dadurch aber nicht glücklicher, sondern stirbt.