Entre nous le déluge

Der Kleiber pfeilt heran und klammert sich im Mauerwerk fest, noch während ich die Futtersäule befülle. Woher er weiß, dass ich das mache? Ich stelle mir die kleinen Vögel als Kurzsichtige vor. Mir ähnlich, aber riechen wird er es nicht können wie ein Hund. In der Borte über dem Schnabel sind bloß zwei winzige Löcher. Noch nie einen witternden Vogel gesehen. Lauschend wohl eher, wenn sie den Kopf schräg legen vielleicht; wenn sie ruckartig herumfahren, zusammenfahren – verständigen tun sie sich, wie Menschen, über Geräusch.

Ob’s stumme Vögel gibt, als Behinderung, ohne Stimmbänder geboren oder halt taub? Jetzt weiß ich jedenfalls wie der Kleiber tönt, wenn er hungrig ist und ihm meine Intervention an seiner Nahrungsquelle zu lange dauert. Er lässt es aus dem nackten Geäst des Kirschenbaums ertönen, in dem er drängelnd umherhüpft, wie ein Mensch nach vier Bier ohne Klo. Es zwitscht, aber schnalzend. Klingt nach der Entsperrmelodie eines BMW. Da um diese Jahreszeit generell wenig gepiepst und gezwitschert wird, lockt sein Geräusch umgehend die Gimpelgang herbei, die stets zu dritt unterwegs ist. Zwei Hennen und ein Hahn, dessen rosenfarbenes Brustschild zu glühen scheint (von daher wirkt er auf mich stolz).

Am anderen Ufer ist ein Saum von vielleicht fünf Metern Breite schon fest gefroren und weiß. War das letztes Jahr (ich glaube, ja), dass ich um diese Zeit auf dem Schlachtensee spazieren gehen konnte, bis mich eine Frau von der anderen Seite quer übers Eis hinweg anbrüllte: »Sind Sie wahnsinnig?« Nicht dass ich wüsste, zumindest brülle ich keine wildfremden Menschen an.

Der Abschnitt nach der kleinen Brücke, ein Kanal bis nach Teltow, auf dem man an wärmeren Morgen gut angeln kann, ist komplett zugefroren und beim Ruderclub spielen drei Hockey. Die Russen werfen das Brot, das sie selbst nicht mehr essen wollen, von der Brücke aus in den Wind. Vor ihnen steht eine Wolke aus Möwen, die danach schnappen, und wer nichts abbekommt, kreischt. Die Russen rufen Russisches. Unten, bei ihrem Zeltplatz, hängt eine Jeanshose steifgefroren im Wind.

Das Gute am Reichtum in Deutschland ist vielleicht auch, dass es für Tiere eigens Futter gibt in Läden, die darauf spezialisiert sind, Tierfutter zu verkaufen. In ärmeren Gesellschaften, die ich kennengelernt habe, ist das Tierfutter und das Essen der Armen dasselbe. Was bedeutet, dass die Tiere sehr viel Glück haben müssen, um etwas davon abzubekommen oder stibitzen zu können. Zum Beispiel Knochen, Fleischabschnitte, Schalen oder altes Essen, das weggeworfen wird, beziehungsweise weitergegeben. In Deutschland und ähnlich gestellten Gesellschaften können sehr arme Menschen noch immer zuerst Tierfutter essen, bevor es dann von dieser Stufe aus noch eins weiter nach unten geht. Auch fragte ich mich, denn der Kilopreis ist sehr günstig derzeit, ob man aus Blumenzwiebeln etwas zaubern könnte? Ich kenne das ja prinzipiell von meiner Stengelbeißlust her, die mich in der Vorweihnachtszeit beim Anblick der Amaryllis ergreift.

Von den Asiaten lernen heißt: Es ist alles essbar und schmeckt gleich, aber gleich gut, mit der Hilfe von Sojasauce, Fischsauce, Chilischoten und Reis.