FRANKENFURT

Die westliche Trasse bleibt den Juni über gesperrt wegen Bauarbeiten. Die einzige Verbindung nach Frankfurt führt jetzt über Erfurt, eigentlich die privilegierte Sprinterstrecke, doch muß man dort umsteigen. Schade, dass es dort, am Hauptbahnhof von Erfurt, nach 20 Uhr keinen mehr gibt, der mir Bratwürste verkaufen will. Ausgerechnet die Bratwürste, das einzige, was ich an Thüringen typisch fände und pop, gibt es dort nicht. Lange Schlange vor Mc Donalds.

Der Bahnhof wird von der Abendsonne durchflutet. Die Menschen hier haben Piercings und ausladendende Tättowierungen im Steißbereich, wie man es sich vorstellt. Es ist jetzt schon eine Epoche lang her, seit dem Mauerjahr 1989, und ich kann es noch immer nicht glauben. Es rührt, rüttelnderweise an meinem Heimatbegriff. Was übrigens, abseits der Würste, auch die Brunnenkresse betrifft: Die wurde hier, im Erfurt des 19. Jahrhunderts, für die Franzosen angebaut und gezüchtet, weil die in ganz Frankreich verfügbare Ernte nicht ausreichte für den Appetit auf Brunnenkresse in der Grande Nation—was ich sogar noch vom heutigen Standpunkt her verstehen kann, denn auch mein Appetit auf dies delikate Sumpfgemüse ist groß. Wie ich also lese, gibt es nur noch einen landwirtschaftlichen Betrieb in der Schweiz, der heute noch Brunnenkresse anbaut. Jedenfalls berichtete das Jakob Strobel Y Serra, dessen Restaurantkritiken ich eigentlich vom Fachlichen her ablehne; doch findet sich manchmal unter all seinen Perlen halt doch etwas brauchbares.

Es hat 38° Celsius, das meldet die altmodische Digitalanzeige über dem Schuhladen auf der Münchner Straße. Vor dem Café Mozart läßt es sich aushalten. Ein Paar, beide ganz in Orange gekleidet, beide mit arschlangem Haar—seltsam, dass Du dann gleich an »Sekte« denkst. Wärst Du in den Vereinigten Staaten zuhause, wäre die Assoziation »Todestrakt«.

Bei Samen Andreas gibts Mädchenaugen. Ich hätte schon gerne eine Mitschrift des Blumenhändlers, bei dem Farid Bang und Kollegah ihr Gesteck für Auschwitz in Auftrag gegeben haben.

Morgen geht’s los.