The House That Jack Built

Rechts unter den Gleisen, in der Unterführung der Hardenbergstrasse am Bahnhof Zoologischer Garten (Zoo), der einst in den neunziger, achtziger und siebziger Jahren noch ein Synonym war für eine Hölle in Deutschland, weil dort sich Jugendliche als Stricher verdingten, um sich Heroin kaufen zu können, gibt es noch immer eine Art Supermarkt, den Verbrauchermarkt Ulrich, der seit diesen trüben Zeiten den Allerabgewracktesten mit beispielsweise Tetrapacks billigem Weißwein et cetera entgegen kommt.

In der Seitenstrasse neben den Gleisen gibt es seit kurzem das Programmkino Delphi Lux: ein herrlich ausgestattetes Lichtspielhaus; es werden dort, bevor es dunkel wird, geometrische Neonkunstwerke gezeigt. Bis es dunkel wird, kann man sich umschauen. In der Vorstellung des neuen Films von Lars von Trier saßen dort Leute, auf die ich mir keinen Reim machen konnte; es war keine Pressevorstellung. Wir hatten alle Eintritt bezahlt. Die anderen, der Saal war voll an einem Montagabend, zeigten sich in Partylaune. Es waren vor allem Männer, die, in bunten Sweatshirts gekleidet, ihren sogenannten Damen noch Getränkewünsche erfüllen wollten, bevor es dunkel würde. Die Paare gehörten zur Slasher-Community; das waren also spezielle Cineasten, die im Internet vor allem im Forum von Schnittberichte.com publizieren. Hier, im Delphi, saßen sie in Vorfreude unter sich.

Für solche Spezialzuschauer ist der Film eine Enttäuschung. Die Kritiken von Andreas Kilb in der Sonntagszeitung, am Tag darauf dann von Dietmar Dath im Feuilleton, haben vom Werk eines psychopathisch gewordenen Regisseurs gesprochen. Die angedeuteten Tabubrüche hatten wohl eben diese Spezialzuschauer in das Kino angelockt—und bei mancher Szene, wenn etwa Matt Dillon sein Kleingeld aus einem Portmonnaie herausholt, das aus einer gegerbten Brusthaut eines weiblichen Opfers genäht ist, wurde im Saal kurz, aber halt nur sehr kurz, gelacht.

Der Film geht aber zweieinhalb Stunden lang. Dann aber, am Ende, kommt es zur besagten Höllenfahrt, die halt keine Fahrt ist, sondern auf trostlose Weise vom Menschen erzählt: dass der immer nur weiter machen will; egal mit was. Because life, it goes on.  Ich war mittendrin auch kurz eingenickt. Das macht wahrscheinlich etwas, aber ich kann mir nicht vorstellen, was.

Auf dem Bahnsteig dann, es war ja ein überraschend warmer Tag gewesen, anfangs Dezember, schaute ich einer gut angezogenen Frau zu, die dort, kurz nach Mitternacht, in die Fänge der dieses Mal als Gymnasiallehrer verkleideten Kontrolleure des dysfunktionalen Personennahverkehrs von Berlin geraten war. Eine Schwarzfahrerin. Sie wehrte sich vergebens.

Das Haus aus Leichen, von dem es überall in den Kritiken heißt, ist übrigens nur nebensächlich in dem Film. Und beim Schlußlied haben in meiner Vorstellung alle noch mal Tarrantinomäßig gelacht.