The Joy of Text

Vor dem Sonnenuntergang, ich saß unter einem Kastanienbaum, da fühlte ich schlagartig ein juckendes Zappeln an meinem Hals. Wischte das weg—und auf der grau lackierten Tischplatte lag gelandet eine grasgrüne Raupe. Ganz klein. Durch den blinden Handschlag, den meiner Hand, schien der eine Teil ihres wursthaften Körpers gelähmt. Ich schob ihr die Stiftspitze hin, dass sie da draufkrabbeln sollte. Das gelang ihr aber nicht. Sie würmelte hilflos in Halbkreisen über den Tisch.

Das tat mir leid. Ich wußte nun nicht: soll ich das zur Lebensunfähigkeit verletzte Tier zerquetschen? War das meine Pflicht, da ich es aus Unachtsamkeit erst in diese scheußliche Lage gebracht hatte. Ein Dilemma für Buddhisten.

Die Spatzen hier sind ja auf Croissantkrümel spezialisiert.

In einem Artikel über Froschzüchter hatte ich gelesen vom großen Aufbruch in den den Vereinigten Staaten im Umkreis des Schwarzen Freitags, als der Verzehr von Froschschenkeln noch etwas Gewöhnliches war. Fleisch war Fleisch, ein Proteinlieferant. Als das zentrale Problem für die durch die Annoncen eines Betriebes für Froschfleisch in Dosen rekrutierten Froschbauern sollte sich dann erweisen, dass Frösche ausschließlich lebendiges Futter zu sich nehmen. Was in der Folge bedeutete, dass die Froschmäster vor allem mit der Herstellung lebendiger Maden und Würmer et cetera beschäftigt waren. Zusätzlichzu den sich andauern vermehrenden Fröschen auf ihrer Farm. Die Ratio von Futtermenge zu Frosch lag hierbei übrigens bei 3:1, da ein Frosch in etwa drei Jahre lang genährt werden mußte, bis er die erforderliche Schlachtreife erreicht hatte. Es gibt historische Aufnahmen, da sieht man in weiß gekleidete Frauen mit weißen Häubchen auf an langen Rinnen stehen in einer Froschschenkelverarbeitungshalle; abgetrennte Froschschenkel in Dosen sortierend.

Alles kann zur Szene werden, wenn man ein paar mal hintereinander im Theater war. Vergleichbar mit andauerndem Lesen, dann schaue ich mir manchmal auch dabei zu, dass ich beim Gang durch die Straßen eine Speisekarte redigiere, einen Schreibfehler auf einem Firmenschild korrigiere. Ich bin dann noch ganz in der Schrift.

Extrem wird es in einer Überkreuzung von beidem, wenn ich, wie derzeit, ein Buch lese, in dem es um theaterhaftes im Leben aus einer anderen Zeit geht, ich dazu aber auch obendrein noch ins Theater gehe. Ian Buruma beschreibt seine Eindrücke aus den Pornokinos im Tokio der siebziger Jahre, wie er dort verkleidete Männer trifft mit verschmiertem Lippenstift quer übers Gesicht, die ihn ehrfürchtig grüßen.

Dann sitze ich am Mittag, vermeintlich aus einer Laune heraus, in einem dubiosen Lokal, das von glänzend frisierten Malayen betrieben wird, die mir eine krude Kost aus warmgemachten Sushi in viel Sauce mit Stücken von Bananen und Litchi servieren. Beim Bezahlen hält einer von ihnen, es gab keine anderen Gäste außer mir, ein kupferfarbenes Funkmikrophon in der Hand und fängt, noch während ich mit ihm rede, an, zu einem Karaoke-Track aus seiner Herkunftskultur zu singen. Ordentlich Hall auf der Stimme. Und die anderen schauen mich an, sagen »He is a superstar!«

Später, da war der Eintrag schon beinahe geschrieben, schwebte die Raupe, von der Tischkante an einem seidenen Faden herabhängend im Sonnenlicht. Wie Leonard Cohen geschrieben hat: Your body is a golden chain, my body is hanging from.