THERE’S ALWAYS VANILLA

Wie habe ich mich bislang vor Filmen gefürchtet. Mittlerweile habe ich beinahe wirklich schon viereckige Augen. Das Format hat sich ja, gleich wovon man die abschaut, noch immer nicht geändert. Auch der Bildschirm des iPad hat, wie mein Hut, der Ecken vier. Wie das Filmbild, als es noch Streifen gab. Und in dem Gespräch von Bowie und Balthus gab es die eine Stelle, bei der ich lange überlegen wollte, wie man das anders übersetzen könnte, aber es ging gar nicht anders. Da waren sie beide kurz abgeschweift zu einem Menschen, der in einem gewissen Film eine wohl extrem kurze Rolle gespielt hatte, und in dem meiner Übersetzung zugrundeliegenden Text sagte Balthus »He is just one frame.«

Damit war also nur ein Auftauchen innert eines Filmstreifenbildes gemeint, das aber versteht ja kein Mensch, wenn ich das so hinschreiben würde; beziehungsweise, es klänge von fremder Hand eindringlich, so als wollte ich als Übersetzer noch extra darauf hinweisen, dass es den beiden um Film ginge—und da ich das die ganze andere Zeit nicht für nötig befunden hatte, dieser Art Eingriff, konnte das auch nicht die Lösung sein. So kam ich schließlich auf Er bleibt bloß für das Vierundzwanzigstel einer Sekunde. Vermutlich war das gemeint.

Um mich auf die neue Gesprächsreihe mit Oskar Roehler vorzubereiten, schaue ich endlos Filme an. Jeden Tag. Beim letzten Mal hatte mir die Zeit dafür gefehlt, da hatte ich andere Dinge zu tun gehabt, und ich dachte, dass ich die Filme, um die es damals, im vergangenen Frühjahr ging, auch so einigermaßen auswendig kannte. Jetzt aber, da denke ich das zwar irgendwie wieder, will ich besser präpariert in die Redeschlacht ziehen (obwohl es im Buche Bushidō heißen soll, dass es vor allem um den Anblick des eigenen Todes in der Schlacht geht; daraufhin hat alles bishin zur Farbe der Socken ausgerichtet zu sein.)

Wenn man viel Zeit hat, oder, wie ich, nicht mehr viel schläft, kann man guter Hoffnung sein, sich ein Filmwissen quasi literarisch reinzuschaufeln. Ich bin dann, Gaspar Noë hatte das ausgelöst (weil er in seinem so schön filmpädagogisch gebauten Film Climax zu Beginn minutenlang Interviews zeigt, die abgespielt gefilmt werden zwischen zwei Türmen aus VHS-Kassetten links, und rechterhand Büchern) bei Suspiria gelandet, wo ich dann erfahren habe, woher er das viele Rot in seinen Bildern hatte. Da hat mich aber vor allem die Musik von Goblin fasziniert, die auch ein Celeste eingesetzt hatten, das mich an den Tanz der Zuckerfee erinnert hat. Sogar von der Melodie her. Und deshalb mußte ich mir danach noch das Frühwerk von George Romero anschauen. Weil Dario Argento und Goblin dafür die Musik gemacht hatten. Und Argento wohl privat Geld zur Verfügung gestellt hatte. Dawn of the Dead hatte ich als Teenager schon einmal gesehen, aber damals nur auf einer matschigen VHS-Kopie in einem sogenannten Jugendzimmer. Jetzt war alles scharf—What a movie! Man muß den jetzt, genau jetzt noch einmal anschauen. Sich reinziehen. Gespenstisch! Durch und durch. Insbesondere diese Szene, wo sie in dem umstellten Einkaufszentrum die Schalter umlegen und die Einkaufsmusik wieder angeht, die Springbrunnen springen, und es gehen dort nur noch lauter Untote umher (und einer von denen, der bissige, ist ein ewiger Jünger von Hare Krishna!)

Wie dann der Helikopter am Schluß davonfliegt wie die Vögel in den Abendhimmel, und die Kamera bleibt zurück auf dem Dach Punktpunktpunkt

Der erste Film von Romero, Night of the Living Dead, hat noch keine Musik von Goblin. Und die Bilder sind in schwarzweiß.  Jetzt verstehe ich endlich, was Thurston Moore immer gemeint hat, mit seinem Style. Und worauf sich das Cover von Raymond Pettibon eigentlich bezogen haben sollte.

Und das Blau im Gesicht von Pierrot le fou.