19.03.

This house is not for sale. In Ghana, wo mir dieser auf Mauern gepinselte Hinweis im sogenannten Trendviertel Osu aufgefallen war, dachte ich, er sei ein Zeichen der fortschreitenden Gentrifizierung. Als wären die Hausbesitzer es leid, Anfragen Kaufwilliger abzuwehren und daher dazu übergegangen, gleich an der Grundstücksgrenze klarzumachen, dass hier kein Geschäft zu machen ist. Erst hier habe ich verstanden, dass es sich eigentlich um einen Warnhinweis handelt, eine ursprünglich nigerianische Spezialität in der bunten Palette der Betrügereien, die nach Ghana exportiert wurde: Während die jeweiligen Haus- oder Grundbesitzer verreist sind, geben Schwindler die Immobilien als die ihren aus, verkaufen sie und verschwinden mit dem Geld. Es soll Ehefrauen gegeben haben, die so die Häuser ihrer dienstreisenden Männer vertickten.

Während Nigeria als das religiöseste Land der Welt gilt (wer misst das und an welcher Stelle steht dann Saudi-Arabien auf dieser Liste?), sind mir hier in einer Woche mehr erklärte Atheisten begegnet als in drei Monaten in Ghana und Burkina Faso (dort nämlich kein einziger). Der Boko-Haram-Experte Hussaini Abdu, der für eine große NGO arbeitet, sagte: »You guys in Europe are very lucky to have overcome faith«, die Künstlerin Peju Alatise: »I am pissed about religion in my country. It’s like brain cancer.« Gegenüber ihres Hauses am Strand von Ajah findet in einer welchblechgedeckten Holzbaracke ein Gottesdienst statt. Nonnenhaft ganz in Weiß gekleidete Frauen und Kinder singen leise Lieder.

Den Abend verbringen wir in Femi Kutis New Afrika Shrine. Wenn er in Lagos ist, tritt der älteste Sohn Felas dort auf. Donnerstags ist der Eintritt frei, sonntags kostet er 500 Naira, ein bisschen mehr als einen Euro. An der Wellblechdecke der Freilufthalle kreisen Dutzende Ventilatoren, es riecht nach Gras und gegrilltem Ziegenfleisch mit Zwiebeln. Als sich die Musiker gerade warmspielen wollen, fällt der Strom aus, zum wiederholten Mal an diesem Tag. Zwanzig Sekunden lang ist es stockdunkel und fast ganz still, dann springt der Generator an. Um Punkt halb neun läuft Femi Kuti auf die Bühne, im gelb-grün-roten Fantasy-Anzug (ich kann nicht genau ausmachen, ob es sich um Satin handelt). Seine Band besteht aus elf Musikern und genauso vielen Kalakuta Queens, den Tänzerinnen/Sängerinnen/Perkussionistinnen mit bunter Gesichtsbemalung, Kopfschmuck und knappen Perlenkostümen. Viele der Lagosians, die vor der Bühne tanzen, können jedes Wort seiner Texte mitsingen. Mein Herz gehört dem jungen Typ mit dem schwarzen Basecap, der die arschwackelnden Choreografien der Tänzerinnen imitiert, als wollte er sich um einen Platz unter ihnen bewerben.