26.12.

Da will man zu Weihnachten einmal in Ruhe arbeiten, da überschlagen sich die Ereignisse. Am frühen Nachmittag dringen vom Strand her Rufe hinauf. Als ich nachschauen gehe, steht im Palmengarten des Resorts ein Dutzend junger Typen und zieht mit nackten Händen an einem Seil. Ich nicke zum Gruß und gehe dem Seil nach zum Strand. Dort ist es in einer Schlaufe um einen in den Sand gerammten Pfahl gelegt, weitere Männer stemmen sich gegen die im Wasser wirkenden Kräfte. Der am Pfahl winkt mich heran, er heißt Abraham, der Rufer ist Tony, er hat das Kommando. »Arrrrrrrrr, ar, arrrrrrrr. Moko! Moko!«

Am und im Wasser stehen zehn weitere, teils mit Sonnenbrillen, teils mit Turbanen aus T-Shirts, zwei haben diesen ausgestülpten Bauchnabel, den man oft sieht - Nabelbruch wegen schwerer körperlicher Arbeit. Manche sind noch Kinder oder Teenies, darunter ist auch der, der mir die Kokosnuss schenkte, ein Mann muss um die 70 sei. Er heißt Sylvester und trägt einen zerknautschten lilafarbenen Strohhut, der auch einer Dame seines Alters gut zu Gesicht stünde. Ich setze mich in den Sand und schaue zu, beobachte den Rhythmus aus Ziehen und Warten. Gewartet wird immer dann, wenn die Strömung so stark ist, dass das gegen sie Stemmen nichts bringt. Ich stelle Tony und Abraham Fragen, auf die es so halbwegs befriedigende Antworten gibt (»Wie oft macht ihr das?« - »Immer, immer«; »Wer ist der Chef, wer bezahlt die hier alle?« – Wir arbeiten alle zusammen, jeder hilft mit«), ich werde losgeschickt, um leere Plastikflaschen mit Trinkwasser aus dem Hahn zu füllen und irgendwann soll ich mit am Seil ziehen. Na gut. Die, die hinten fertig sind, laufen nach vorne ins Wasser, zwei tauchen weit draußen. Als am Ende des Seils das blaue Netz mit den gelben Plastikbällen darin zum Vorschein kommt, wird 500 Meter weiter den Strand hinunter eine zweite Schlange eröffnet, die Hälfte der Leute wandert ab und zieht dort. Der Teil des Netzes, der herausgezogen wurde, wir in Schlaufen auf Stöcken zusammengelegt.

Zweieinhalb Stunden nachdem die Operation begonnen hat, hat die Strömung sie einige Hundert Meter den Strand hinunter getrieben. Es liegen fünf Fischlein im Trog, mir wird etwas bang. Und dann ist der Mittelteil des Netzes an Land gewuchtet, darin Hunderte, wenn nicht Tausende Fische. Flapp, flapp. Und Quallen, leere Muscheln, ein paar Krebse, Plastiktüten, Treibgut. Auf einmal sind auch Frauen da, mehr Kinder, ein paar Hunde, über allem kreisen schon die Weihen. Die Fischer benutzen Blechtröge als Schaufeln, um den Fang erst in einem Transportcontainer mit Löchern aus dem Netz und von da aus auf Haufen zu verteilen. Zur Sortierung. Zwei, drei Schlangenähnliche mit Zähnen sind dabei, ein riesiger Octopus, Rochen mit ihren Grinsegesichtern, eine Schnecke, Haus und Tier zusammen dicker als ein Fußball. Ein großer Gelber, viel vom Fisch-Mittelbau, Sardinen. In den kopfgroßen Quallen verstecken sich auch welche. 

Die kleinen, runden, wie plattgehauen aussehenden Fischchen mit den goldenen Rücken sind die schönsten. Sie wirken wie aus Silberfolie genäht, unwirklich glatt und perfekt, ohne Schuppen. An ihnen ist wirklich gar nichts dran. Ein kleiner Junge im Spongebob-Shirt merkt, wie ich sie genau anschaue und mit dem Finger darüber streiche, er bringt mir ganze Hände voll davon. Die Krebse scheinen für niemanden von Interesse zu sein, sie laufen zurück ins Meer. Die Kinder sammeln das, was die Fischer nicht gebrauchen können, die Hunde fressen den Rest. Das Netz wird auf ein blaues Holzboot geladen und zurück in den Ort gebracht. Für die Standardware stehen Frauen mit ihren Blechtrögen bereit. Es entspinnt sich ein Streit zwischen Fischern und Händlerinnen um den Preis für einen, schätzungsweise, 30-Liter-Trog voller Fisch. 30 Cedis, sagt Abraham, sei ein guter Preis. Knapp 5,80 Euro. 

Eine junge Frau namens Charlotte sagt, ich solle mir was aussuchen. Nein, nein, als Geschenk und doch, doch, die im Resort würden mir das heute Abend zubereiten. Ich sage, mal wieder: »Ihr Leute seid unglaublich«.
Einer der Fischer reicht mir den Octopus. Als ich entsetzt schaue, versucht er es mit dem großen Gelben. Ich lasse ich drei Fische in überschaubarer Portionsgröße reichen, einen für mich, die anderen beiden für die Hotelmannschaft.