8.10.

In Kenia haben sie gerade Plastiktüten verboten, denke ich, als ich an der Kasse des Palace Hypermarket stehe und zuschaue, wie die Einpackhilfen die Einkäufe in Dutzende handliche gelbe Tüten räumen, auch die zuvor von den Abwiegehilfen in stabile Plastiktüten eingeschnürten einzelnen Äpfel, Limonen und Ananas, die Sixpacks Volvic und die Schokoriegel. Wenn ich einen Zwangsgedanken habe im Leben, dann diesen, wegen sowas: We’re fucked.

Außer ein paar auf Arabisch diskutierenden Männer sitzt im Palace-Café noch ein Pärchen. Die beiden sehen aus wie Mitte 20, ihr Baby ist vielleicht ein Jahr alt. Alle drei tragen von Kopf bis Fuß weiß: ihr Kleid, ihre Sandalen, ihre Handtasche, sein T-Shirt, seine Hose, seine Sneaker, der Body des Babys: alles weiß. Die beiden teilen sich einen Milchshake und ein massives Stück Kuchen, leuchtend roter Teig mit weißer Buttercreme, sie schauen abwechselnd einander und ihr vor guter Laune quietschendes Kind an. Ich muss mich zwingen, nicht zu starren.  

Zurück im Auto zeichnet Ursula (die nur ich so nenne, für alle anderen ist sie Mami) mir ihre eigene Landkarte der Stadt. Sie erzählt von der Explosion, die letztes Jahr die Tankstelle sprengte (»Schau, alles ausgebrannt.«), und wie einmal ein Cargo-Flugzeug über die Landbahn hinausschoß, die Mauer durchbrach und auf die Schnellstraße rutschte. (Und als hätte sie es geahnt, würde noch am selben Abend die nächste Tankstelle in die Luft gehen, an der Atomic Junction in Madina im Nordosten der Stadt.)

Neulich, in Berlin, als Bianca zu Besuch war und wir das erste Käsefondue des Jahres aßen, sprachen wir über diesen sehr langen Artikel, der im Sommer im New York Magazine erschienen war. der ihr über Tage Albträume bereitet hatte und den ich nun endlich zu Ende lese. In The Unhabitable Earth rechnet David Wallace-Wells die Folgen von zwei bis sieben Grad Erderwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts hoch. Sein erster Satz ist: »It is, I promise, worse than you think.« Bei der Stelle, an der er beschreibt, was dauerhafte 40,5 Grad bei sich ausbreitenden tropischen 90 Prozent Luftfeuchtigkeit bewirken (»Within a few hours, a human body would be cooked to death from both inside and out«), muss ich an den sinister gestimmten Halbwüchsigen denken, der mal in der schönen Rubrik Kinder fragen, Experten antworten der Zeitschrift Nido wissen wollte: »Wenn jemand in der Sauna stirbt, wird er dann gekocht?«. Die Antwort lautete: Ja. 

Wallace-Wells lässt in seinem Artikel, dem meistgelesenen in der Geschichte des Magazins, noch eine ganze Reihe so knochentrockener Feststellungen niederregnen:

»At 11 or 12 degrees of warming, more than half the world’s population, as distributed today, would die of direct heat.«

»Every round-trip ticket on flights from New York to London, keep in mind, costs the Arctic three more square meters of ice.«

»For every half-degree of warming, societies will see between a 10 and 20 percent increase in the likelihood of armed conflict.«

»You don’t worry much about dengue or malaria if you are living in Maine or France. But as the tropics creep northward and mosquitos migrate with them, you will.« 

Plastiktüten, haha.