8.12.

Third-World Problems:

Die Fenster sind wie überall mit diesen Glasjalousien ausgestattt, deren milchige Lamellen jeweils so breit sind, dass im waagerecht gestellten Zustand eine Katze darauf Platz hat. Der angenehme Wind, der vom Atlantik her durch die vor den Jalousien fest installierten Insektennetze ins Haus hineinweht, bläst beim Kochen ständig die Gasflamme aus. 

Die Moskitos (ich nenne sie jetzt nur noch Dirty Needles), die es trotz allem ins Haus schaffen, hören einfach nicht auf zu stechen. Von wegen Trockenzeit. Mit aller Macht klammern sie sich ans Leben und meine Adern, die Arschgeigen. 

Der Bauarbeiter, der die Wohnung in der zweiten Etage renoviert, hört den ganzen Tag Bob Marley. Wenn er Feierabend hat, übernimmt jemand draußen auf der Straße den Reggae-Dienst und macht einfach weiter mit der Beschallung. Ich meine: Wie oft am Tag kann man Buffalo Soldier und diese andern drei Lieder hintereinander spielen? 

Um dem Sound zu entkommen (und weil ich prokrastiniere), verbringe ich ein paar Stunden bei Photo Club. Dort machen sie Passbilder und Porträts und verkaufen die passenden dunklen Holzrahmen dazu. Ob ich gern ein afrikanisches Porträt hätte, fragt die Angestellte mit der kinnlangen Lockenperrücke. Sie zeigt auf ein gerahmtes Bild einer Frau im Ashanti-Outfit. »Na ja, wenn ich schon mal da bin.« Sie klatscht vor Freude in die Hände und nimmt mich mit in den Hinterraum des Studios, der Verkleidekammer. Aus einem pinken Plastikkoffer holt sie drei unterschiedlich breite, gewebte Stoffbahnen, das geometrische, gelb-grün-blau-orange Muster heißt kente, und hält sie mir nacheinander hin. »Den schlingst du dir als Rock um die Hüften. Den bindest du dir um die Brüste. Und daraus mache ich dir ein Kopftuch.« Dazu neun Holzperlenketten für Arme, Füße und um den Hals, goldene Sandalen und als Accessoire einen dieser Pferdehaarpuschel aus dem Fetischpriesterbedarf. Roter Lippenstift. Als sie fertig ist, ruft sie angesichts ihres Werks mehrmals »My friend! So beautiful!«. (Ich verzichte darauf, mir vorzustellen, was das ganze Szenario umgedreht wäre: Sie in Deutschland in einem traditionellen Outfit.) 

Ihre Kollegin hinter der Kamera ist nicht ganz so enthusiastisch. »Du hast deine Tasche auf den Boden gelegt«, stellt sie ganz richtig fest. Als ich den rechten Arm in die Hüfte stütze, um irgendwie Beyoncé-mäßig stolz auszusehen, fragt sie mich ohne eine Spur von Boshaftigkeit in der Stimme, ob ich Rückenschmerzen habe. Ich frage zurück, was sie denn an meiner Stelle mit dem freien Arm machen wurde. Sie nimmt ihn, legt ihn in Position und sagt: »Du schwitzt«. Auch damit hat sie recht. »Immer«, sage ich. »Für euch ist bei 30 Grad kühl, aber für mich ist es immer noch heiß.« Irgendwann findet sie dann doch Gefallen an der Sache. Mit Blick auf meinen falschen Ehering sagt sie: »Your hubby is going to love this!«. 

Die Retusche betreibt sie sehr gewissenhaft. Während sie sehr lange mit dem Mauszeiger auf dem Bildschirm herumwischt, schaue ich mir die ausgestellten Fotos des winkenden Präsidenten in der Kente-Toga an, und die Aufnahmen, für die sich Pärchen als Chief und Queen Mother verkleidet und nebeneinander gesetzt haben. Am Ende fragt mich Dorcas, wie sie sich jetzt vorstellt, ob sie das Foto bei sich im Laden ausstellen dürften. »Klar«, sage ich. Mir gefällt die Idee, dass ich in ein paar Jahren nach Accra zurückkomme, und dieses ein wenig lächerliche Bild dann immer noch hier hängt.