Die haarigen jungen Männer

von 
Glosse
erschienen im August 1959 in TWEN

Es gibt solche, deren Haare nicht länger als Wimpern sind, so daß man die abgefallenen Stückchen gleich Glück wünschend in den Himmel pusten möchte. Es gibt aber auch jene, von denen ein Haar in der Suppe schon, wie ein gerolltes Unterseekabel, jegliche Gemüseeinlagen ersetzt. Ganz zu schweigen von den Fettaugen. Andere hüten richtige Kulturen auf ihren Häuptern, die wie farblose Luftaufnahmen eigenartiger Gartenparzellen wirken. Das beugt sich wie vom Hagel parallel zur Seite gepreßter Hafer, steht starr wie preußischer Schnittlauch, scheint am Wirbel beinahe Staub aufzuwirbeln, ergießt sich wie flüssig an den Seiten hinab auf die Ohren oder wirft sich plötzlich wie Strahlenbündel eines Feuerwerkfinales nach allen Richtungen, während vorn über der Stirn sich die Tolle zur Dachrinne rundet und den Sitz der Gedanken dämonisch überschattet. Gelegentlich ist auch hier noch ein Schmuck untergebracht, der sich wie ein Schweineschwänzchen keck nach vorn dreht und vielleicht als symbolische Antenne für ein Kofferradio in der Hand gedacht sein könnte.

Denn sicher ist es nicht immer so, daß man nur deshalb mehr auf dem Kopfe trägt, weil drinnen zu wenig ist. Es hat auch Sinn. Denn unbehütet, wie diese Köpfe sind, brauchen sie viele Haare und diese gut gefettet gegen die zahlreichen Regentage. Sie brauchen sie bei ihren Wegen durch unsere Großstädte, um sich an den zahlreichen Neubauten gegen fallende Steine zu schützen, fühlen sich wohler in dem Gedanken, sich in Gefahr aus eigenen Haaren einen Strick drehen zu können. Und ordentlich, wie man nun einmal ist, läßt man seinen Skalp nicht einfach wachsen und im Winde wehen. Man ordnet ihn. Da gibt es welche, die tragen manchmal gleich mehrere Scheitel, die den Haarflächen geometrische Formen geben, Dreiecke, wie geschaffen dazu, den Lehrsatz des Pythagoras nicht zu vergessen. Die Streichholzlänge jedenfalls ist diskriminiert. Sicherlich zu Recht. Man trägt jetzt weniger oder mehr. Viel mehr. Staubsaugervertreter preisen schon, daß ihr Produkt auch die Haare von Hunden und Söhnen und Katzen in der Mauser mühelos vom häuslichen Teppich hebe.

Die Mädchen jedoch, deren Haar eigentlich von der Natur prädestiniert für Künstlerhände scheint (und bei älteren sichtlich ist), passen sich der Jünglingsmode oppositionell an, erheben Trauerweiden oder nasse Mops zu ihren haarigen Vorbildern. Sie lassen einfach in Strähnen hängen (sie tun jedenfalls so, als sei es einfach), was das ehemals weniger schöne - männliche - Geschlecht jetzt pflegt und ordnet, gießt und düngt, häkelt und verknotet und so eindrucksvoll gestaltet, daß man seinen Typ der Frisur anpassen klann. Und am Hinterkopf türmen sich die Haare dann zu zwei gewaltigen Bergen mit einem Talscheitel in der Mitte, so daß sie auf seltsame Weise in delikater Anmut modisch mit den Hinterteilen der Hosen korrespondieren. Sie müssen sich hüten, die Schultern zu heben, weil das ihr Kunstwerk zerstören würde und die Haare im Nacken sich sträuben könnten, als gehöre ihr Träger zu den zornigen jungen Männern, von denen man so viel redet.

Aber diese jungen Manner sind gar nicht zornig. Nur haarig.