Im Ventilatoren-Cluster

Reportage
zuerst erschienen 2002 in McK Wissen Nr. 1, S. 10-18
Fassung des Autors
Es fing ganz normal an, mit einer Elektromotorenfirma in Berlin, vor fast 100 Jahren. Irgendwann baut der Gründer Ventilatoren, zieht um nach Süddeutschland, das Unternehmen wächst. Mitarbeiter, Töchter, Söhne und Schwiegersöhne kommen und gehen, arbeiten mit und ziehen ein paar Straßen weiter und gründen neu. Aus der Firma ist ein kompliziertes Unternehmensnetz geworden – und aus der Hohenlohe das Welthauptquartier der Ventilatoren-Industrie.

Idyllisch, diese Landschaft. Kitschig schön, hollywoodesk. Als hätte ein Ausstatter das Klischee Süddeutschland für die Leinwand auf den Punkt gebracht. Saftig grün, hohe Bäume, sanfte Hügel, ab und zu fast ein Berg, von Bächen mit klarem Wasser durchzogen. Eine Optik, wie man sie nur noch aus Fremdenverkehrsbroschüren kennt. Oder eben Filmen. Schön hier. Gar nichts, aber auch wirklich gar nichts sorgt in Künzelsau oder Kü-Au, wie Einheimische die Stadt in der Tiefe der Hohenlohe mitten in Baden-Württemberg nennen, für die Assoziation Mafia.

Doch Mafia ist das Wort, das bei den Gesprächen in den nächsten Tagen immer wieder fallen wird. Es fiel gleich beim ersten Telefonat und von da an immer wieder und überall. Martin Ganzera, der bei der Firma Rosenberg Marketing macht, sitzt beispielsweise noch nicht mal richtig auf dem Stuhl und sagt schon: „Ach, das wird also `ne Geschichte über die Ventilator-Mafia.“ Mhhhh, hatte ich so nicht gesagt, vielmehr: die Geschichte soll die Ventilatoren-Industrie in der Hohenlohe beschreiben. Peter Koppenhöfer von Ziehl-Abegg hat ähnlich reagiert. „Aha, es geht um die Hohenloher Ventilatoren-Mafia.“ Als ich mit ihm in der Zentrale von Ziehl-Abegg in Künzelsau im Besprechungszimmer saß kam irgendwann Prokurist Siegbert Ziesel dazu, nur kurz, lang genug um einmal das Wort Mafia zu benutzen. Wochen später hatte ich den alten Wilhelm Gebhardt am Telefon. Den Mann, mit dem, das kann man wohl so sagen, die Ventilatoren-Geschichte anfängt. Und er sagte: „Aha, Hohenloher Ventilatoren-Mafia.“ Das Wort taucht immer wieder auf, es läßt sich bei dem Thema kaum vermeiden, jeder in der Gegend benutzt es mit Genuß. Gut, damit dürfte klar sein, die deutsche Ventilatoren-Industrie ballt sich in der Hohenlohe, nahe der Autobahn Heilbronn-Nürnberg und ist verzahnt.

Es gibt einen Ursprung, früher gab es Beteiligungen, man kennt sich, man ist teilweise verwandt, man hilft sich, man konkurriert gleichzeitig, man wechselt von einer Firma zur anderen, man sourct aus, die ganze Palette wird innerhalb von knapp 30 Kilometer geboten. Bei dem Wort Ventilatoren-Mafia schwingt Stolz mit. Da kommt das Hohenlohsche durch. Dieses „Man nimmt uns nicht ernst, aber wir sind wer“, dieses „bis vor ein paar Jahrzehnten war hier Landwirtschaft und Armut, schauen Sie sich um, was hier entstanden ist“. Einer der wohlhabendsten Landstriche in Deutschland, zumindest gewerbesteuertechnisch: Mustang-Jeans, Schrauben-Würth, dessen Ableger dazu Aufzugs-Stahl und eben die Ventilatoren-Firmen sorgen dafür. Baden-württembergischer als die waldreiche Hohenloher Hügellandschaft, das geht nicht mehr.

Es gibt noch ein bisschen was an Ventilatoren-Produktion in der Gegend von Villingen-Schwenningen, auch Ba-Wü. Dort ist vor allem Pabst, eine Tochter der EBM in der Hohenlohe. Es gibt noch eine Firma in Pinneberg, die große Ventilatoren, eigentlich schon Turbinen, produziert, Riesenteile, die in Tunneln verwendet werden, um verbrauchte Luft raus und frische rein zu bringen. Eine Nische also. Alles andere in Sachen Ventilatoren spielt in der Hohenlohe.

Jetzt mal ganz grundsätzlich, Ventilatoren sind wichtig, richtig wichtig. „Eine unendliche Bandbreite von Anwendungen“ gebe es, sagt Kai Halter von EBM. Wenn man mit ihm mal gesprochen hat, geht man mit einem ganz anderen Blick durch die Welt, überall ahnt man Ventilatoren. Also: sie sind in Klimaanlagen, Umluft-Herden, Be- und Entlüftungen. Auch in Autos und in Kühlwagen werden Ventilatoren gebraucht, im Handy-Business, doch, die Mobilfunk-Betreiber und Handyhersteller, sie brauchen Ventilatoren: Lucent, Motorola, Eriksson, Nokia sind Großabnehmer. Die Liste ist endlos: Dunstabzugshauben, Reinräume, die manchmal 8000 Ventilatoren brauchen, Getränkeautomaten, Kühltheken in Supermärkten, Heizkessel. Überall, wo Hitze oder Wärme entsteht, werden die Dinger gebraucht. Also fast überall.

Hohenlohe ist Zentrum, hier sitzen die Weltmarktführer, in einigen Bereichen mit mehr als 80 Prozent Marktanteil, mit hunderten von Töchterfirmen in so gut wie jedem Land der Welt, Seitenweise werden die Ableger in den Firmenbroschüren aufgelistet, die Produktionsstätten in China, Ungarn, Singapur, Amerika. Alles, da legen sie Wert darauf, wird strikt geleitet von Kü-Au aus. Hier sitzt Ziehl-Abegg. Oder von Gaisbach nebenan, einem Kü-Auer Stadtteil, da ist Rosenberg. Von Waldenburg, Gebhardt und vom putzigen Mulfingen im Jagsttal aus: EBM. Diese vier Firmen: EBM, Ziehl-Abegg, Gebhardt und Rosenberg, sind die Großen, und drum rum wimmeln kleine Zulieferer und Neustarter.

Wie das kam, habe ich zusammengesetzt aus dem, was bei den vier Großen erzählt wird und was Peter Kirchner in einem Kapitel seiner Doktorarbeit „Industriedynamik in der Wirtschaftsregion Heilbronn-Franken“ geschrieben hat. Es begann in Berlin. 1910. Berlin-Weißensee. Emil Ziehl gründete mit einem Schweden namens Abegg, der zwei Monate später schon weg war, eine Elektromotorenfirma. Emil Ziehl habe auch den Kreiselkompass erfunden, sagen sie bei Ziehl-Abegg. Bald baute er Motoren für die Zeppeline und für Aufzugsfirmen. Jetzt kommt der technische Aspekt: Er setzte auf Außenläufermotoren.

Das sind Elektromotoren, deren Strator, also die gewickelten Kupferdrähte, innen sind, der Rotor deshalb außen, was bedeutet, die äußere Hülle des Motors dreht sich. Perfekt für Aufzüge zum Beispiel oder, eben später, für Ventilatoren. Der Ventilator in Rick’s Café, Casablanca, hat noch einen Innenläufer. Was bedeutet: die Flügel sind an der Nabe in der Mitte befestigt. Das geht, aber es kostet Platz. Innenläufer haben einen Riemenantrieb, Außenläufer nicht. Also sind die so gut wie wartungsfrei, kompakter, kleiner, besser.

Ziehl-Abegg und seine Außenläufermotoren, das war eine Erfolgsgeschichte bis zum Zweiten Weltkrieg. Danach war nichts mehr. Die Söhne von Emil Ziehl, Heinz und Günther, versuchten es nach dem Krieg kurz in Füssen, Bayern, sie reparierten dort Elektromotoren. Bald aber landeten sie in der Hohenlohe. Die Aufzugsfirma Stahl hatte sie gerufen, weil sie einen Lieferanten für Außenläufermotoren brauchte. Früher hatte sie die von Papa Ziehl bekommen, bald von dessen Söhnen.

Günther Ziehl wird von den Fachleuten nur selten erwähnt, aber jeder spricht von Heinz. Das ist der Mann, dessen Namen jedem einfällt, wenn man an Außenläufermotoren denkt. Was die aber wirklich bedeuten, wirtschaftlich betrachtet, kapierte als erster Wilhelm Gebhardt, der Technische Leiter von Ziehl-Abegg. Er drängte Heinz Ziehl, doch Dachventilatoren herzustellen, die großen Dinger oben auf den Hochhäusern. Aber der setzte auf Großkunden wie den Aufzugshersteller Stahl und schickte Gebhardt weg.

Mit Ziehl-Geld, etwas von seinem eigenen und seinem Bruder Friedrich gründete Wilhelm Gebhardt 1958 am Rande von Mulfingen in einer übrig gebliebenen Reichs-Arbeitsdiensts-Baracke Gebhardt Ventilatoren. Ein guter Deal für alle. Gebhardt kaufte die Motoren bei Ziehl-Abegg und verarbeitete sie zu Ventilatoren. Die Firma, „die hab ich allein aufgemacht, des war ein Einmann-Betrieb“, so Gebhardt heute voll Stolz, wuchs sehr schnell. Ihr Erfolg sorgte dafür, daß die Mutter, der Geldgeber, auch mit Ventilatoren anfing. Die sich ergänzenden Firmen wurden irgendwie Konkurrenten, waren aber immer auch Partner. Heinz Ziehl hatte am Anfang gesagt, wir sind die Motorspezialisten, die Anwendung macht Gebhardt. Das galt irgendwann nicht mehr.

Es gibt noch so einen Heinz-Ziehl-Satz, den er wohl sagte, als er den Gebhardt-Erfolg kapiert hatte und Ziehl-Abegg schon Ventilatoren herstellte: Wir machen 300 mm und größer, den Rest soll wer anders machen. Gebhardt und Ziehl-Abegg machten vor allem Dachventilatoren, große, denn damit konnte man mehr verdienen. Also sagte Heinz Ziehl zu seinen Arbeitsvorbereitungsleiter Gerhard Sturm, er solle eine eigene Firma gründen und die kleinen Dinger herstellen. Sturm wollte nicht so richtig, heißt es heute. Aber sein alter Chef habe ihn zu seinem Glück gezwungen. EBM entstand 1963. Mit Geld und Leuten von Ziehl-Abegg.

Sturm nahm 35 Mann mit von Ziehl-Abegg, ging nach Mulfingen, bekam vom Landwirtschaftsministerium Baden-Württemberg die Auflage, nie mehr als 85 Leute zu beschäftigen, damit die Landwirtschaft im Jagsttal nicht leide. Naja, heute hat EBM dort allein 2000 Mitarbeiter. Kai Halter von EBM sagt, nachdem er zuvor das Wort Mafia auch mal benutzt hat: „Ohne uns wäre hier Entwicklungsland“. EBM, inzwischen der größte aller, größer als Ziehl-Abegg, stellt täglich zwischen 40000 und 50000 Ventilatoren her, hat, mit der großen Tochterfirma Papst, vierzehn Werke und wächst und investiert und wächst und investiert. Wirtschaftskrisen hat die Branche nie wirklich gespürt. Naja, Anfang der 70er, die Ölkrise kam mächtig, verkaufte Gebhardt seine Firma an Amis. Und zur Zeit läuft es irgendwie komisch im Telekommunikationsmarkt. Jede Basisstation eines Mobilnetzbetreibers, das sind die hässlichen Dinger auf Dächern, die aus optischen Gründen in der jeweiligen Nachbarschaft sehr unbeliebt sind, braucht einen Haufen Ventilatoren.

Eine Zeit lang kamen die Bestellungen dicke. Bei EBM waren es im Februar noch 200.000 Venti-Aufträge. Im März dann nur noch 11000. Das ist natürlich eine Krise, aber keine der Ventilatoren-Industrie, sondern eine der Telekommunikation. Denn: Ventis werden überall gebraucht. Zum Beispiel haben alle teuren und großen Daimler, beispielsweise die komplette S-Klasse, in den Sitzen einige Ventis. Bis zu 20, wenn es Ledersitze sind. Bis vor kurzem war Gerhard Sturm von EBM da sehr trotzig. Er wollte nicht zum Automobilzulieferer werden „weil wir uns nicht die Preise und Margen vorschreiben lassen wollen.“ Aber wie gesagt, jetzt sind EBM-Ventis in Luxusautos, gerade wurde ein Vertrag mit Audi abgeschlossen. „Und die Telekommunikation, die zieht sicher wieder an“, so Kai Halter.

EBM ist nicht mehr mit Ziehl-Abegg verbandelt, es gebe keine finanziellen Beteiligungen mehr. Wobei, hier muss man wohl erklären: zwei Töchter der Ziehl-Brüder sind heute Teilhaber von EBM, zwei von Ziehl-Abegg.  Schwiegersöhne sind Geschäftsführer. Es gibt massenhaft gemeinsame Tochterfirmen, die den Vertrieb machen. Wenn die Firma Ziehl-EBM heißt hat Ziehl-Abegg die Mehrheit, wenn sie EBM-Ziehl heißt EBM. Bei Messen haben sie gemeinsame Stände. Wobei sie auch Gebhardt-Ventilatoren vertreiben. Und manchmal sogar welche von Rosenberg. Rosenberg wiederum kauft Gebhardt Ventilatoren, bietet auch welche von EBM an. Karl Rosenberg war Verkaufsleiter von Ziehl-Abegg und machte sich 1980 selbstständig. Seine Firma ist die kleinste der großen vier, gilt als die aggressivste. Einige sagen: „Der Rosenberg, der hält sich nicht an die Regeln.“ Andere: „Das ist wirklich ein Verkäufer, guter Mann.“ Alle tummeln sich im gleichen Gebiet. Sie sind Konkurrenten und Kunden gleichzeitig.

Ach ja, von Rosenberg aus gab es noch ein paar Spin-offs, Systemair, GLT beispielsweise. Von EBM spaltete sich Ruck ab. Alle machen Ventilatoren. Eine Firma aus Ludwigsburg, DLK, die Großventilatoren für Tunnellüftungen macht, ist Ende der 80er-Jahre in die Kü-Au-Gegend gezogen, nach Schöntal-Berlichingen. Wobei sie keine Außenläuferventilatoren baut sondern Innenläuferventilatoren. Solche, mit Riemenantrieb stellen auch die anderen inzwischen her. Es gibt noch viele kleine Betriebe: EBM, der Riese, hat dafür gesorgt, dass ehemalige Mitarbeiter Zulieferbetriebe gegründet haben, teilweise steckt in denen EBM-Geld. „Wir kaufen für 40 Millionen Euro jährlich hier in der Gegend Teile ein“, sagt Kai Halter. Die anderen kaufen natürlich auch, „das ist in Ordnung, wir haben allen gesagt, sie sollen versuchen, nicht auf einem Bein zu stehen“.

Die alte Ziehl-Abegg-Aufteilung: Gebhardt macht die Ventilatoren, wir den Rest, gilt inzwischen genauso wenig wie: EBM macht alles, was kleiner als 300 mm ist, Ziehl-Abegg die großen. Oder auch: Axial passiert hinten in der Hohenlohe, Radial ist eher eine Gebhardt-Sache, vorne an der Autobahn. Axial heißt: die Luft wird in den Ventilator gezogen und in einer Linie hinten wieder rausgeschleudert. Man kann also eine Linie und in die Mitte den Ventilator zeichnen, wenn man das skizzieren will. Radial heißt: die Luft wird in den Ventilator gezogen und geht von diesem in einem Winkel weg. Heute, wie gesagt, machen alle alles. „Was daran liegt, daß heute jeder wachsen will, also wurde man zwangsläufig Wettbewerber, vor allem seit Wilhelm Gebhardt nicht mehr in seinem eigenen Unternehmen ist“, sagt Wolfgang Tscherwitschke von Gebhardt Ventilatoren. Jetzt kommen die Amis ins Spiel. Die haben etwas verändert, hier auf dem Land.

Die Firma Gebhardt liegt am Rande eines Industriegebiets ist viereckig, schmucklos, praktisch, funktional, schnörkellos, kein Hauch von Glamour. So was hat übrigens keine der Ventilatoren-Firmen, das sind alles klassische schwäbische Unternehmen. Paradebeispiele für Bescheidenheit, man kann so was wie einen Minderwertigkeitskomplex ahnen. Auch die Leute, fast nur Einheimische, sie sind keine Showtypen, sie wirken alle sehr ergebnisorientiert, es fehlt, wie den Firmen selbst, Glätte. Das hier sind Schaffer in Schafferbetrieben. Es herrscht Hohenlohe-Atmo: Die Frau am Empfang von Gebhardt beispielsweise, sie spricht hochdeutsch, nimmt dann aber den Telefonhörer ab, wählt und sagt: „Du, do isch wer vor der Tsche.“ Und Tscherwitschke kommt.

Oder am nächsten Tag bei Rosenberg. „Warten Sie bitte unten“, sagt die Frau am Empfang im ersten Stock. Unten ist ein breiter Flur, ein großer Tisch, da wird gerade verhandelt, Tschechen und Deutsche reden über technische Details, ein Dolmetscher übersetzt, ständig geht eine Tür auf und dicke Männer in Blaumännern kommen, eilen zum Getränkeautomat und wieder zurück in die Werkhalle. Ganzera setzt sich dazu und sagt: „Oh ja, das ist ein Wettbewerb. Und was für einer. Die Besitzer und Geschäftsführer, das sind sicher keine guten Freunde, dicke Freunde werden die nicht sein. Obwohl ja fast jeder von jedem kauft.“ Gebhardt gehört inzwischen, wie gesagt, einer amerikanischen Firma, Masco. Tscherwitschke ergänzte den Mafiaaspekt noch um solche Sätze: „Hier ist schon ein bisschen Dallas“. So was Ähnliches sagt Ganzera bei Rosenberg in Gaisbach und Kai Halter von EBM in Mulfingen.

Naja, sagt dazu Tscherwitschke: „Weltmarktführer, das sind wir auch“. Sind sie irgendwie alle, weil der Ventilatoren-Markt viele Teilbereiche abdeckt, jeder ist irgendwo vorne dran. Tscherwitschke führt durch den Gebhardt-Betrieb. Da ist noch die Baracke, in der Gebhardt anfing. Da sind Labors, in denen Ingenieure Ventis testen und dafür sorgen, dass sie kaum noch Krach machen. Wie allen Ventilatoren-Machern ist Tscherwitschke die Technik wichtig. Axial, radial, er erklärt so was genau. Genau so: Doppelseitig ansaugende und einseitig ansaugende, ds und as, er liefert Beispiele, deutet auf Skizzen, nennt Zahlen aus dem Kopf und wirkt begeistert. Gegen Ende im Labor wo Lautstärke gemessen wird sagt er zusammenfassend: „Die Ventilatoren-Branche ist eine endlose Geschichte, das geht ins Tausendste, so viele Details, sowohl in der Technik als auch in der Geschichte.“ Das Wort Dallas benutzt er wieder, diesmal nicht das Wort Mafia. Dallas sei nichts dagegen, klar nur: Gebhardt hat die Branche geprägt, allein. Ziehl-Abegg war der Ursprung aber die Idee kam von Gebhardt.“

Zu Ziehl-Abegg, dem Ursprung. Hier ist es wie bei den anderen, die Gebäude sind nicht protzig, nur praktisch. Direkt neben dem Haupteingang ist eine Laderampe. Peter Koppenhöfer erzählt noch mal die Ventilatoren-Geschichte der Hohenlohe, also die Deutschlands, also die der Welt. Die Verzweigungen, die Verbindungen. Irgendwann gibt er auf und sagt: „Es ist unheimlich schwierig zu sagen, seit wann wer genau was macht. Heute geht es nur noch um Wachstum. Früher waren die Firmen enger beieinander wegen der Besitzer. Aber Bindungen haben sich gelöst, jeder ist bemüht, eigene Motoren zu machen. Die persönlichen Verbindungen der Gründerzeit gibt es nicht mehr.“

Radial-Ventilatoren seien gerade der Wachstumsmarkt. Die Marktanteile sind nicht so leicht zuzuordnen: „Ziehl-Abegg und EBM zusammen haben in Europa in der Kältetechnik etwa 80 Prozent. Oder fast 90.“ Der Branche gehe es gut. Es gebe natürlich Konkurrenten. In Italien und Spanien, aber „nichts Wesentliches“. Und in Asien. Da sind ein paar Japaner, die fast so viel herstellen wie Ziehl-Abegg oder EBM. In China wird fleißig kopiert, da entstehen Hohenloher Ventilatoren eins zu eins.

Das hat Kai Halter bei EBM auch erzählt: „In China kopieren sie uns bis aufs Logo. Die Geometrie unserer Produkte ist leicht zu kopieren, aber es gibt Wichtiges, das nicht so leicht nachgemacht werden kann: Wie viel Kupfer wickle ich um den Strator? Die Wickelmaschinen sind alles Eigenprodukte. Heiligtümer.“

Er gerät, wie alle anderen auch, ins technische Schwärmen. Jetzt gibt es etwas Neues, EC-Motoren, die mit Gleichstrom arbeiten. Sie haben einen deutlich höheren Leistungsgrad als die bisherigen Wechselstrom-Motoren. Die laufen heiß, verlieren sinnlos Energie. Ein Gleichstrom-Motor ist kalt. „Gut, Gleichstrom-Motoren sind teurer, etwa zehn Euro mehr pro Ventilator. In einer Kühltheke macht das 16 mal zehn Euro. Aber nach einem Jahr hat sich das amortisiert durch die Stromersparnis. Das muss man jetzt nur den Supermarkt-Betreibern klar machen.“ Und schon hat man den nächsten Wachstumsmarkt. Wachstum? Ja klar, wie jedes Jahr. Halter deutet auf Tabellen: mehr Leute, mehr Umsatz, mehr Gewinn. Auch die anderen wachsen: Ziehl-Abegg baut gerade ein neues Werk, hat EBM-Mann Koppenhöfer gesagt, „in Waldenburg, quasi direkt neben Gebhardt“.

Zurück zu Gebhardt. Der Ableger von Ziehl-Abegg war jedes Jahr gewachsen. Bis die 70er-Jahre Ölkrise kam. Gebhardt verkaufte an die amerikanische Masco-Gruppe. Blieb aber in der Hohenlohe präsent. Zum einen weil sein Sohn eine Großküchenfirma gründete die in Gaisbach direkt neben Rosenberg ist. Und weil der Vater sein Geld in Lagerhallen anlegte, die er an Schrauben-Würth und andere vermietete. Jeder dieser Hallen hat den großen Schriftzug Gebhardt drauf.

Der letzte Tag in der Hohenlohe: Bei Rosenberg in Gaisbach. Martin Ganzera sagt: „Oh ja, das ist ein Wettbewerb. Und was für einer. Die Besitzer und Geschäftsführer, das sind sicher keine guten Freunde, dicke Freunde jedenfalls werden sie nicht sein. Obwohl ja fast jeder von jedem kauft.“ Und alle denselben Ursprung haben. Und Bezug zueinander. „Es ist hier in der Gegend nun mal so, dass jeder einen Verwandten hat, der bei einem anderen arbeitet. Und die Leute reden daheim natürlich über die Firma. Hier bleibt nichts lange geheim.“ Baut Rosenberg eigentlich auch EC-Motoren? „Na klar. Gute Ideen kann man hier nicht geheim halten.“ Alle vier bauen inzwischen EC-Motoren. Vor allen anderen in der Welt. Man kennt sich.